Entwicklung & Gesundheit

Wenn Suizidgedanken auftauchen

In der Schweiz ist der Suizid bei jungen Menschen zwischen 16 und 25 Jahren die zweithäufigste Todesursache. Dabei genügen manchmal schon Kleinigkeiten, um einen Suizid zu verhindern.
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Suizid

Jedes Jahr nehmen sich in unserer Welt rund eine Million Menschen das Leben. Diese schreckliche, schier unvorstellbar hohe Zahl und das unfassbare, damit zusammenhängende Leid schockieren uns alle und wir fragen ratlos nach den Ursachen und den Möglichkeiten, Suizide zu verhindern. Wir können doch nicht einfach darüber hinwegsehen, dass sich hunderttausende von Menschen das Leben nehmen. Für die Weltgesundheitsorganisation WHO ist Suizid eines der grössten Gesundheitsprobleme überhaupt. Noch viel schwieriger ist es, wenn sich Kinder und Jugendliche das Leben nehmen. Wie soll man verstehen, wenn ein junger Mensch sich selbst tötet? Und wie lassen sich Suizide verhindern?

Warum ist die Suizidrate bei Männern höher?

Wir wissen, dass in westeuropäischen Ländern von 100‘000 Personen etwa 4000 der Meinung sind, dass der Suizid für ihre Lebenssituation eine Lösung darstellen könnte. Etwa 300 von ihnen unternehmen einen Suizidversuch und 17 Personen nehmen sich tatsächlich das Leben. In der Schweiz ist der Suizid bei jungen Menschen zwischen 16 und 25 Jahren, die zweithäufigste Todesursache – gleich nach den Unfällen. Kaum diskutiert wird, dass mindestens acht von zehn durch Suizid verstorbene Jugendliche männlich sind. Das ist einerseits auf die Suizidmethoden zurückzuführen, hängt aber auch mit der gesamthaft schlechten Gesundheitsbilanz von Männern zusammen.

Die Broschüre «Praxishilfe für den Umgang mit suizidalen Krisen» soll helfen, Auslöser, Ursachen sowie Risikofaktoren zu kennen, Alarmsignale bewusst wahrzunehmen und richtig zu intervenieren.

Suizid wird immer noch tabuisiert

Es fällt in unserer Gesellschaft immer noch schwer, diese traurige Tatsache offen anzusprechen. Eher versucht man das Thema zu verdrängen oder man überspielt es, indem man beispielsweise von riskanten Spielen oder tragischen Unfällen spricht. Das hat auch mit unserem kulturellen Hintergrund zu tun. Für die christliche Kirche war Suizid lange eine Todsünde. Erst in der Aufklärung wurde Selbsttötung zum Gegenstand intellektueller Auseinandersetzung und erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts wird Suizid als ein gesellschaftliches und gesundheitliches Phänomen wahrgenommen.

Dass es überhaupt zu der Vorstellung kommen kann, dass Suizid als Lösung für ein persönliches Problem in Frage kommt, hängt mit mehreren Faktoren zusammen: etwa mit dem Geschlecht, mit der Entwicklung des jungen Menschen und mit gesellschaftlichen, kulturellen und familiären Strukturen in welchen die Kinder aufwachsen. Aber auch biologische Faktoren können eine Rolle spielen.

Suizidgedanken – wie helfen?

Die Entwicklung von der Idee, sich das Leben zu nehmen, bis zum Vollzug des Suizides lässt sich folgendermassen beschreiben:

  • Die Betroffenen fühlen sich schlecht, wissen aber nicht, weshalb.
  • Man findet keine Lösung. Die Vorstellung zu sterben zeigt einen möglichen Ausweg.
  • Bei jeder Schwierigkeit kommt diese Vorstellung von Neuem, jedes Mal leichter.
  • Die Betroffenen denken nur noch ans Sterben, so schlecht geht es ihnen.
  • Sie planen und bereiten die Tat vor, die ihnen in ihrer Situation Erleichterung bringen wird.
  • Es braucht nur noch wenig und man vollzieht den Suizid.

Es ist wichtig zu wissen, dass diese Entwicklung in jedem einzelnen Stadium umkehrbar ist (ausser natürlich dem vollzogenen Suizid). Wir alle können eines Tages Suizide verhindern, wenn wir die Hinweise und Notsignale, die gefährdete Menschen uns geben, verstehen.

Wachsam sein und reagieren

Solche Hinweise können sein, wenn sich ein Kind oder ein Jugendlicher zunehmend zurückzieht, starke Stimmungsschwankungen zeigt, diffuse Ängste hat oder Essstörungen auftreten. Wir können wissen, wenn ein Kind in unserem Umfeld schon zu Beginn seines Lebens seine Eltern verloren hat. Dass es unter affektiven Ausbrüchen leidet. Dass seine Eltern mit psychischen Problemen zu ringen haben, dass in seinem Umfeld eine gewalttätige Atmosphäre herrscht, dass der Lebensstil seiner Familie durch eine Abfolge von Katastrophen gekennzeichnet ist. All das können wir wahrnehmen und darauf reagieren.

Schon Kleinigkeiten können genügen, um Suizid zu verhindern

In solchen Situationen wird alles, was eine emotionale Beziehung stärkt, zum Schutz: Ein Telefonanruf, ein SMS, ein kurzes Gespräch. Was für einen affektiv nicht beeinträchtigen Menschen eine Banalität darstellt, kann bei einem Suizidgefährdeten zum Schutzfaktor werden. Auch das Nottelefon, sei das nun institutionell wie die Beratung + Hilfe 147 von Pro Juventute oder als persönliches Angebot «Du kannst mich jederzeit anrufen», hat grosse Wirkung. Eine Kleinigkeit kann ausreichen um Kinder und Jugendliche an Suizid denken zu lassen – eine andere Kleinigkeit kann dazu führen, Suizide zu verhindern.

Wo melden bei Suizidgedanken?

Kinder und Jugendliche wenden sich kostenlos und vertraulich per Telefon (Nummer 147), Chat, SMS oder E-Mail an Beratung + Hilfe 147.

Eltern und Erziehungsberechtigte wenden sich vertraulich per Telefon (Nummer 058 261 61 61) oder online an die Pro Juventute Elternberatung.