Entwicklung & Gesundheit
Stand: 08.02.2024

Bindung – Das A und O in der Erziehung

Resiliente Kinder und Jugendliche verfügen über mehr Widerstandskraft, um schwierige Situationen zu bewältigen. Einer der Schlüsselfaktoren für Resilienz ist eine sichere Bindung. Sie vermittelt Rückhalt und bestärkt die Kinder. Erfahren Sie, was Kinder brauchen, um sich sicher gebunden zu fühlen.
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Eine sichere Bindung ist ein Grundbedürfnis von Kindern.

Eine sichere Bindung ist ein Grundbedürfnis von uns Menschen. Kinder und Jugendliche, welche sich sicher gebunden fühlen, sind widerstandsfähiger. Sie vertrauen ihren Bezugspersonen und finden bei ihnen Halt, wenn sie sich verunsichert fühlen oder vor etwas Angst haben. Dadurch erlernen sie einfacher Strategien, um schwierige Situationen bewältigen zu können und verfügen über mehr Resilienz.

Vielfach sind die wichtigsten Bezugspersonen eines Kindes seine Mutter und sein Vater. Doch können Kinder und Jugendliche auch zu anderen Personen eine sichere Bindung aufbauen. Wichtig dafür ist eine möglichst konstante Beziehung. Bezugspersonen sollten für das Kind da sein, wenn es sie braucht und sich an Abmachungen halten.

Bindung verändert sich im Laufe der Kindheit

Die Basis für eine sichere Bindung wird im ersten Lebensjahr gelegt. Danach ändert sich meistens nicht mehr viel. «Jedoch können Verlusterfahrungen eine Bindung ins Wanken bringen», sagt Tracy Wagner, Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Pro Juventute. «Umgekehrt können korrigierende Erfahrungen später im Leben zu einer sicheren Bindung führen, etwa durch eine enge Bindung zu sicher gebundenen Partnern oder zu Psychotherapeuten im Rahmen einer Therapie.»

Was Kinder und Jugendliche brauchen, um eine sichere Bindung aufzubauen, ändert sich mit zunehmendem Alter. Babys benötigen viel Zuneigung und eine angemessene Reaktion auf ihre Bedürfnisse. Sie sind von ihren Bezugspersonen abhängig und verlangen nach viel Nähe. Ab der Trotzphase wächst beim Kleinkind das Bedürfnis nach Autonomie. Sie fordern zunehmend Freiräume und möchten Dinge selber machen.

Auch für ältere Kinder und Jugendliche ist es wichtig, die Unterstützung ihrer Bezugspersonen zu spüren. Mit dieser Sicherheit im Rücken können sie selbstständiger werden und sich von ihnen loslösen. Die Bindung ausserhalb der Kernfamilie gewinnt in der Pubertät an Bedeutung.

«Mit Konstanz und nachvollziehbaren Konsequenzen geben Eltern und Bezugspersonen den Kindern Halt und Orientierung – ein Grundbedürfnis von Kindern und Jugendlichen.»
Tracy Wagner
Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Pro Juventute

Wie sich eine sichere Bindung zeigt

Eine sichere Bindung zeichnet sich durch vollkommenes Vertrauen in die Bezugspersonen aus. Kinder mit einer sicheren Bindung fühlen sich aufgehoben und verstanden und lassen sich von ihren Bezugspersonen gut beruhigen. Sie entwickeln ein positives Selbstwertgefühl, weil die Eltern ihnen die Botschaft vermitteln: «Du bist wichtig und gut, so wie du bist.» Im Idealfall verfügen Kinder und Jugendliche über eine sichere Bindung zu mehr als einer Person.

Kinder und Jugendliche, die sich sicher gebunden fühlen, können sich emotional öffnen und ihre Gefühle ausdrücken. Sie haben gelernt, dass auf ihre Gefühle eingegangen wird, egal welcher Art sie sind. Dadurch fällt es ihnen einfacher, Gefühle zu regulieren. Zudem gibt eine sichere Bindung Rückhalt und bestärkt die Kinder positiv. Das führt dazu, dass sie sich sowie anderen Personen eher vertrauen. Sie können stabilere Beziehungen eingehen und suchen bei Problemen Hilfe. Denn sie sind überzeugt, dass andere Menschen ihnen helfen können und man gemeinsam stark ist.

Vier Bindungstypen

Neben der sicheren Bindung gibt es auch die unsicher-vermeidende, die unsicher-ambivalente sowie die unsicher-desorganisierte Bindung.

  • Bei einem unsicher-vermeidenden Bindungsmuster gehen Eltern und Bezugspersonen wenig sensitiv auf die Bedürfnisse des Kindes ein. Das Kind lernt, Bindungswünsche zu unterdrücken oder sie gar nicht wahrzunehmen. Es entwickelt die Erwartungshaltung, dass ihm nicht geholfen wird und wird früh selbstständig.
  • Bei einem unsicher-ambivalenten Bindungsstil hat das Kind die Erfahrung gemacht hat, dass die Bindungspersonen manchmal sehr fürsorglich auf es eingehen, manchmal jedoch auch nicht. Sie klammern sich an die Bezugspersonen und sind dadurch wenig selbstständig.
  • Bei der unsicher-desorganisierten Bindung ist die Bindung zu den Bezugspersonen ernsthaft gestört, etwa aufgrund traumatischer Erlebnisse in den ersten Lebensmonaten. Betroffene Kinder zeigen widersprüchliches, manchmal auch aggressives Verhalten gegenüber Bezugspersonen.

Eine sichere Bindung fördern

Für den Aufbau einer sicheren Bindung müssen elterliche Reaktionen für Kinder nachvollziehbar sein, unabhängig vom Erziehungsstil. Das ist der Fall, wenn Bezugspersonen auf ähnliches Verhalten ähnlich reagieren und ihr Verhalten mit den gezeigten Gefühlen sowie dem Gesagten übereinstimmt. «Mit Konstanz und nachvollziehbaren Konsequenzen geben Eltern und Bezugspersonen den Kindern Halt und Orientierung – ein Grundbedürfnis von Kindern und Jugendlichen», sagt Tracy Wagner.

Für Kinder ist es wichtig, dass Eltern ihre grundlegenden Bedürfnisse wahrnehmen und erfüllen. Dadurch spüren sie, dass sie sich auf ihre Bezugsperson verlassen können und vermögen eine Bindung aufzubauen. Eltern müssen jedoch nicht alle Wünsche ihrer Kinder umgehend erfüllen. Denn Kinder müssen lernen, mit Frust umzugehen. Hilfreich dafür ist, wenn Eltern die Bedürfnisse und Wünsche anerkennen und respektieren. So fühlt sich das Kind trotzdem gesehen. Auch eine Erklärung, weshalb etwas nicht oder im Moment nicht möglich ist, kann dem Kind helfen, mit dem Frust umzugehen.

Tipps für Eltern: So bauen Sie eine sichere Bindung auf

  • Vertraut: Eine sichere Bindung setzt Vertrautheit voraus. Pflegen Sie eine beständige Beziehung und ermöglichen Sie eine solche auch anderen wichtigen Bezugspersonen.
  • Verlässlich: Halten Sie Abmachungen ein und versuchen Sie, eine konstante Haltung gegenüber dem Kind zu wahren. Damit zeigen Sie, dass sich Ihr Kind auf Sie verlassen kann.
  • Verfügbar: Wenn das Kind jemanden braucht, sollte eine nahe Bezugsperson verfügbar sein. Bauen Sie ein Beziehungsnetz auf. Ein solches gewährleistet, dass jemand Vertrautes da ist, sollten Sie mal krank werden.
  • Liebevoll: Schenken Sie Ihrem Kind liebevolle Zuwendung. Kinder möchten sich mit all ihren Eigenschaften gesehen und akzeptiert fühlen. Interessieren Sie sich für das, was Ihr Kind tut.

Resilienz ist ein Zusammenspiel vieler Faktoren

Eine sichere Bindung allein reicht allerdings nicht aus, um aus Kindern resiliente Persönlichkeiten zu machen. Dafür müssen noch andere Schutzfaktoren vorhanden sein, insbesondere das Erleben von Selbstwirksamkeit und Sozialkompetenz. Gleichzeitig begünstigt eine gute Bindung die Entwicklung dieser weiteren Schutzfaktoren.

Sicher gebundene Kinder und Jugendliche erleben sich als selbstwirksam, weil auf ihre Bedürfnisse und ihren Wunsch nach Bindung eingegangen wird. Sie können ihre Gefühle besser ausdrücken und regulieren, was sich positiv auf ihre Sozialkompetenz auswirkt. Beides zeigt, wie wichtig die Pflege einer guten Bindung von klein auf ist.

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