Emotionen sind wunderbar – wenn wir sie regulieren können
Wut, Trauer, überschäumende Freude, Frust – die Palette an Gefühlen ist bunt. Der Umgang mit ihnen, eine grosse Herausforderung. Selbst Erwachsenen fällt es nicht immer leicht, ihre eigenen Emotionen zu regulieren. Kinder und Jugendliche stehen diesbezüglich erst am Anfang ihres Lernwegs. Sie können noch nicht auf so viele Erfahrungen zurückgreifen wie Erwachsene.
Die Emotionsregulation ist denn auch eine der grössten Entwicklungsaufgaben von Heranwachsenden – eine, bei der sie auf die Unterstützung von Erwachsenen angewiesen sind.
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Positive und negative Gefühle haben ihre Berechtigung
Manche Gefühle machen es Eltern leicht, ihre Kinder wohlwollend zu begleiten. Andere sind schwer zu ertragen. Doch alle Emotionen sind wertvoll. In unserer Gesellschaft sind sie aber positiv oder negativ konnotiert. Sogenannt positive Gefühle wie Freude oder Stolz fühlen sich gut an und helfen, Ressourcen aufzubauen. Dank ihnen können wir Beziehungen aufbauen und pflegen. Das führt zu einem stärkeren sozialen Netz.
Gefühle, die sich unangenehm anfühlen und daher als negativ wahrgenommen werden, sind hingegen für unser Überleben und das Zusammenleben als Gesellschaft essenziell. Etwa die Angst vor Schlangen, welche dafür sorgt, dass wir uns in gefährlichen Situationen schützen. Oder die Schuld, die uns davor bewahrt, andere Menschen zu verletzen.
Eltern müssen die unangenehmen Gefühle des Kindes miterleben, aushalten und regulieren.
Gleichzeitig können negativ behaftete Gefühle einiges über nicht erfüllte Bedürfnisse offenbaren. Gelingt beispielsweise ein Vorhaben nicht, kann das Frust auslösen, weil das «selber können» noch nicht so klappt, wie eine Person sich dies wünscht. Wird die eigene Grenze überschritten, kann dies wütend oder traurig machen. Nehmen sich Eltern Zeit, nach dem Ursprung der Gefühle zu suchen, können sie die Emotionen ihrer Kinder oftmals besser verstehen. Das erleichtert es, sie im Umgang mit schwierigen Gefühlen zu begleiten.
Einfluss des Geschlechts auf die Emotionsregulation
Unsere Gesellschaft hat nach wie vor gewisse Erwartungen, wie sich Mädchen und Jungen zu verhalten haben. Das gilt erst recht in Bezug auf Emotionen. So ist es in der Gesellschaft durchaus akzeptiert, wenn Jungen und Männer Wut zeigen. Sie haben deshalb häufig einen besseren Zugang zu ihrer Wut, können aber schlecht mit Trauer umgehen, da sie Stereotypen wie «ein richtiger Junge weint nicht» verinnerlichen. Umgekehrt lernen Mädchen oft schon früh, dass sie starke Gefühle wie Wut nicht zeigen dürfen. Stattdessen tragen sie ihre Emotionen nach innen, reagieren stiller.
Eigene Emotionsregulation reflektieren
Erwachsene sollten sich bewusst sein, dass die Emotionen der Kinder auch sie beeinflussen. Wem gelingt es schon, völlig ruhig zu bleiben, wenn das Kind vor Wut schäumt und sich partout nicht beruhigen lässt? Welche Mutter, welchen Vater lässt die tiefe Trauer über das verlorene Kuscheltier des Kindes völlig kalt? Manche reagieren vielleicht selbst mit Wut, andere mit Stress auf die emotionalen Ausbrüche ihres Kindes. Doch nur wer selbst Strategien hat, mit seinen Emotionen umzugehen, kann Kinder und Jugendliche bei deren Emotionsregulation adäquat begleiten.
«Haben Kinder Mühe mit der Emotionsregulation, sind die Eltern Teil der Dynamik», sagt Tracy Wagner, Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Pro Juventute. «Sie müssen die unangenehmen Gefühle des Kindes miterleben, aushalten und regulieren.» Gleichzeitig sind Eltern bezüglich Emotionsregulation Vorbilder für ihre Kinder. Die Kinder beobachten ihre Reaktion genau und schauen sich Strategien von ihren Eltern ab. «Sich bewusst zu machen, wie es mir geht, wenn das Kind wütend oder frustriert ist, ist deshalb sehr wichtig.»
Emotionen verbalisieren lernen
Um Emotionen regulieren zu können, müssen sich Kinder und Jugendliche zuerst mit ihnen auseinandersetzen. Das bedingt, dass sie ein Vokabular für die Gefühle entwickeln. Eltern können sie darin unterstützen, indem sie Gefühle immer wieder in Worte fassen. Bei kleineren Kindern kann das folgendermassen klingen: «Dein Bild ist dir nicht gelungen, wie du das wolltest. Das macht dich wütend.» oder «Bald kommt dein Götti. Du bist aufgeregt.» Auch Bilderbücher bieten wunderbaren Gesprächsstoff, um über Gefühle zu sprechen.
Älteren Kindern und Jugendlichen kann es helfen, ihnen den Spiegel vorzuhalten: «Ich verstehe, dass dich das frustriert. Mir würde es genauso gehen.» Ein gutes Hilfsmittel, um Emotionen zu benennen, ist der Stimmungsflip von Pro Juventute. Er stellt Gefühle auf einfache Weise dar und ermöglicht so, seine eigenen Emotionen gegenüber anderen zu benennen.
Wackelzahnpubertät oder 6-Jahres-Krise
Im Alter von 5 bis 7 Jahren erleben Kinder viele Veränderungen. Sie entwickeln sich sehr schnell. Manche erleben grosse Stimmungsschwankungen, von unbändiger Freude bis zu explodierenden Wutanfällen. Diese emotionalen Ausbrüche auszuhalten, kann für Eltern herausfordernd sein. Erhalten Sie Tipps, wie Sie als Eltern ihre Kinder in der Wackelzahnpubertät begleiten können.
Strategien für die Emotionsregulation
Der Säugling ist noch komplett davon abhängig, dass Bezugspersonen seine Emotionen regulieren. Diese Regulation von aussen wird im Laufe der Entwicklung immer mehr vom Kind selbst übernommen, indem es Strategien für die Emotionsregulation erlernt.
Je nach Alter, Temperament und Situation können diese unterschiedlich aussehen: In ein Kissen beissen, die Gefühle in einer Zeichnung oder einem Text auf Papier bringen, gemeinsam laut schreien, innerlich bis zehn zählen oder sich an einen Rückzugsort zurückziehen. Je älter das Kind ist, desto mehr kann es auch kognitive Strategien einsetzen wie die positiven Seiten einer Situation zu sehen oder sich innerlich selbst gut zuzureden.
Gefühle nur kurzzeitig unterdrücken
Nicht jede Emotion kann in jeder Situation sofort ausgelebt werden. Mit der Zeit lernen Kinder und Jugendliche, was in welcher sozialen Situation erwünscht oder eben nicht erwünscht ist. Emotionen kurzzeitig zu unterdrücken, gehört also zur Fähigkeit der Emotionsregulation.
Keinesfalls sollten Gefühle jedoch über längere Zeit und ständig unterdrückt werden. Das könnte dazu führen, dass sie später umso heftiger zum Vorschein kommen oder mit Selbstabwertung oder gar Konsummissbrauch kompensiert werden.
Tipps für Eltern
- Reden Sie viel über Gefühle. Benennen Sie sowohl Ihre Empfindungen wie auch jene Ihres Kindes.
- Sprechen Sie darüber, was die Emotion ausgelöst hat. So kann Ihr Kind ein besseres Verständnis für seine eigenen Bedürfnisse und jene von anderen entwickeln.
- Wertschätzen Sie alle Emotionen. Signalisieren Sie, dass es in Ordnung ist, unangenehme Gefühle wie Wut, Trauer, Angst, Frust oder Scham zu empfinden.
- Begleiten Sie Ihr Kind, wenn es emotional überfordert ist. Seien Sie für Ihr Kind da, indem Sie Trost spenden, beruhigen oder einen Blitzableiter für seine Wut anbieten.
- Beobachten Sie sich selbst. Wie leben Sie positive und negative Gefühle aus? Wie leben Sie deren Regulation vor?