Entwicklung & Gesundheit

Essanfälle und Binge-Eating bei Jugendlichen

Essen und nicht mehr aufhören können – das ist Binge-Eating. Einige Jugendliche versuchen, in Essattacken belastende Emotionen der Pubertät auszugleichen. Essanfälle und Binge-Eating können aber gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden haben. Wie können Eltern ihre Kinder dabei unterstützen, einen gesunden Lebensstil zu pflegen?
Image
Mädchen sitzt auf dem Bett und isst Spaghetti

Heranwachsende sind zunehmend Leistungsdruck und Stress ausgesetzt. Hinzu kommen körperliche Veränderungen während der Pubertät, das Ablösen von den Eltern und schulische sowie erste berufliche Herausforderungen. Viele haben Angst vor Zurückweisung und versuchen, einem Idealbild zu entsprechen. Dies kann zu Essanfällen führen. Mit Verständnis und Unterstützung können Eltern Jugendlichen helfen, sich in der Welt zurechtzufinden.

Was ist Binge-Eating?

Binge-Eating, Essanfälle oder Essattacken beschreiben ein unkontrolliertes, exzessives und zwanghaftes Essen. Die Betroffenen haben das Gefühl, die Kontrolle über ihr Essverhalten zu verlieren. Obwohl sie keinen Hunger verspüren, essen sie oft bis zu einem unangenehmen Völlegefühl. Danach empfinden sie ein Scham- und Ekelgefühl gegenüber sich selbst.

Jugendliche, die solche Essanfälle erleben, berichten oft von ernsthaften psychischen und körperlichen Beschwerden. Essanfälle können zu einer Binge-Eating-Störung (BES) führen, wenn sie regelmässig über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten mindestens einmal pro Woche auftreten. Die Binge-Eating-Störung ist die häufigste Essstörung im Jugendalter.

Symptome und mögliche Ursachen

Auslöser für Essattacken können zwischenmenschliche Belastungen, Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und Schwierigkeiten im Umgang mit Gefühlen sein. Oft dient Binge-Eating als Strategie, um belastende Gefühle zu regulieren. Jugendliche sind während der Pubertät vielen Herausforderungen ausgesetzt, was zur Entstehung von Essanfällen und einer Binge-Eating-Störung führen kann.

Oft dient Binge-Eating als Strategie, um belastende Gefühle zu regulieren.

Die Binge-Eating-Störung unterscheidet sich von anderen Essstörungen wie Bulimia Nervosa dadurch, dass die Betroffenen nicht versuchen, die hohe Kalorienzufuhr auszugleichen (beispielsweise durch Erbrechen). Sie nehmen daher häufig an Gewicht zu. 

Die Rolle von Medien und Optimierungsdruck

Die Medien spielen eine wichtige Rolle in diesem Kontext. Sie vermitteln oft ein unrealistisches Schlankheitsideal. Der Druck, den sich Jugendliche selbst auferlegen, dem Idealbild zu entsprechen, kann Fasten und Essattacken begünstigen.

Umgang mit Emotionen

Die Emotionsregulation ist eine wichtige Fähigkeit, die Kinder erlernen müssen. Wenn Eltern vorleben, wie Emotionen reguliert werden, können Kinder lernen, mit schwierigen und negativen Emotionen umzugehen. 

Es ist sinnvoll, wenn Eltern dabei konkret ihre Emotionen im Alltag benennen und vormachen, wie sie diese aushalten können, beispielsweise: 

«Ich bin wütend und brauche fünf Minuten, bis die Wut verraucht. Ich gehe in mein Zimmer.» 

Eltern können auch aufzeigen, wie Situationen analysiert werden können, indem sie sich fragen: 

«Warum wurde ich so wütend? Welche anderen Gefühle stecken dahinter?» 

Auch ist es wichtig zu vermitteln, nicht zu streng zu sich zu sein. Fehler sind in Ordnung und es geht in erster Linie darum, sich zu bemühen: 

«OK ich habe es versucht, nächstes Mal wieder. Jetzt höre ich einen Podcast.»

Behandlungsmöglichkeiten

Bei Verdacht auf eine Binge-Eating-Störung empfiehlt es sich, professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Es ist ratsam, in solchen Fällen proaktiv zu handeln und Unterstützung zu suchen. Die Binge-Eating-Störung kann in einer Psychotherapie wirksam behandelt werden. Oft erschweren allerdings Schamgefühle der Betroffenen den Zugang zu einer Behandlung. 

Eine niederschwellige Behandlungsmöglichkeit für 14- bis 24-Jährige mit regelmässigen Essanfällen ist das Online-Behandlungsprogramm i-BEAT der Universität Fribourg unter der Leitung von Prof. Simone Munsch. Das Selbsthilfeprogramm ermöglicht eine Online-Behandlung

Tipps für Eltern

  • Bedürfnisse erkennen: Unterstützen Sie Ihr Kind dabei, seine eigenen Bedürfnisse und die anderer zu erkennen und Lösungen für zwischenmenschliche Probleme zu finden.
  • Hunger und Sättigung verstehen: Zeigen Sie Ihrem Kind, wie es Hunger- und Sättigungsgefühle erkennt. Vermeiden Sie Kommentare zum Essverhalten während der Mahlzeiten.
  • Auf Essgewohnheiten achten: Behalten Sie das Essverhalten Ihres Kindes im Blick. Wird heimlich oder regelmässig gegessen? Gibt es Schamgefühle beim Essen oder wird Essen als Belohnung oder Trost verwendet? 
  • Körperneutralität fördern: Vermitteln Sie, dass es normal ist, nicht immer zufrieden mit dem eigenen Körper zu sein. Sprechen Sie über die Funktionen des Körpers und nicht über Aussehen, Gewicht oder Figur.
  • Goldene Mitte: Bieten Sie nicht zu viel Gesundes, aber auch nicht nur Fast Food an. Kontrollieren Sie nicht zu viel.
  • Unterstützung holen: Schreiten Sie ein, wenn das Essverhalten Ihres Kindes die gesunde Entwicklung gefährdet. Bei Verdacht auf eine Essstörung vereinbaren Sie ein Termin in der hausärztlichen Praxis, dem Schulpsychologischem Dienst oder bei Fachpersonen. Weitere Informationen sowie nützliche Adressen erhalten Sie bei der Schweizerischen Gesellschaft für Essstörungen
Jetzt spenden