Entwicklung & Gesundheit

Essstörungen – wie können Eltern helfen?

Hinter Essstörungen verbergen sich häufig psychische Probleme. Wie die Geschichte von Patrizia zeigt, können sich Betroffene schwer von den Zwängen der Krankheit lösen. Erfahren Sie, wie Eltern Kinder und Jugendliche mit einer Essstörung unterstützen können.
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Junge Frau blickt nachdenklich in den Kühlschrank.

«Durch dich konnte ich dünner werden und mich endlich in meinem Körper wohlfühlen», schreibt Patrizia in einem Brief an ihre Freundin, die Essstörung. Ein Wunsch, der in vielen Kindern und Jugendlichen präsent ist. Werbung sowie Influencerinnen und Influencer in den sozialen Medien zeigen es vor. 

Das ist jedoch nur die eine Seite. Trotz des Erfolgs, fühlte sich Patrizia wie eine Gefangene ihrer Magersucht. Im zweiten Brief, den sie wie den ersten im Rahmen ihrer Therapie verfasst hat, schreibt sie: «Kaum hatte ich ein Stück Hoffnung auf ein normaleres Leben aufgebaut, kamst du und machtest mir alles zunichte.» Im TikTok-Video zeigt sie, wie die Essstörung sie manipuliert hat.

@147.ch Heute teilt Patrizia zwei Briefe mit uns, die sie an ihre Essstörung geschrieben hat. Falls du Fragen oder Sorgen rund um das Thema hast, kannst du dich an eine Bezugsperson oder Beratungsstelle wie 147 melden. #schweiz @zeta.movement ♬ Debussy "Moonlight" Piano Solo(829473) - LEOPARD

Verzerrte Körperwahrnehmung

Es gibt verschiedene Essstörungen. Zu den häufigsten zählen Magersucht, Bulimie und die Binge-Eating-Störung, wobei erstere von aussen wegen des geringen Körpergewichts am sichtbarsten ist. Magersüchtige Kinder und Jugendliche wiegen jedes Gramm Nahrung ab, vermeiden Lebensmittel mit vielen Kalorien und verbieten sich mit viel Disziplin jegliche Gelüste. Manche zwingen sich dazu, Sport bis zum Umfallen zu treiben. Andere nehmen abführende Medikamente zu sich oder erbrechen heimlich.

Die Betroffenen werden dünner und dünner. Wie Patrizia finden sie Gefallen an ihrem neuen Körperbild. Doch das genügt ihnen nicht. Sie zwingen sich, weiterzumachen und noch mehr Gewicht zu verlieren, selbst wenn das niedrige Gewicht lebensbedrohlich wird. Denn die Wahrnehmung ihres eigenen Körperbilds ist verzerrt. Viele Kinder und Jugendliche, die an einer Magersucht leiden, haben geradezu panische Angst davor, zuzunehmen. 

Zwanghaftes Essverhalten

Weniger sichtbar als eine Magersucht ist die Essstörung Bulimie, auch Ess-Brech-Sucht genannt. Betroffene haben meistens ein normales Körpergewicht. Trotzdem haben sie ein gestörtes Verhältnis zu Nahrung. Sie essen nicht zu wenig, sondern im Zuge von Essanfällen zu viel. Dies kompensieren sie mit Sport, abführenden Medikamenten oder mit Erbrechen.

Bei der Binge-Eating-Störung fehlt die kompensierende Komponente. Betroffene verlieren ebenfalls die Kontrolle über ihr Essverhalten und essen in kurzer Zeit viel zu viel. Doch gleichen sie die exzessiven Essanfälle nicht aus und leiden in der Folge an Übergewicht. 

Schwerwiegende Folgen

Häufig sind Essstörungen ein Lösungsversuch für tiefgründige psychische Probleme. Weil sie ein grosses Risiko für die gesunde Entwicklung darstellen und schwerwiegende körperliche, psychische und soziale Folgen auftreten können, sollte frühzeitig professionelle Hilfe gesucht werden. Spätestens wenn sich jemand durch ein sehr niedriges Körpergewicht, unermüdlichen Sportzwang oder Ess- und Trinkverweigerung in Lebensgefahr bringt, muss eingegriffen werden. 

Spätestens wenn sich jemand durch ein sehr niedriges Körpergewicht, unermüdlichen Sportzwang oder Ess- und Trinkverweigerung in Lebensgefahr bringt, muss eingegriffen werden. 

Insgesamt sind 3,5 Prozent der Schweizer Bevölkerung im Laufe ihres Lebens von einer Essstörung betroffen, Mädchen und Frauen etwas häufiger als Jungen und Männer. Das zeigt eine Studie des Universitätsspitals Zürich und der Universität Zürich im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) aus dem Jahr 2010. Magersucht gehört zudem zu den psychischen Störungen mit den höchsten Sterblichkeitsraten.

Umgang mit einer Essstörung

Viele Eltern und Bezugspersonen sind unsicher, ob sie Kinder oder Jugendliche auf ihr gestörtes Essverhalten ansprechen sollen. Die Konfrontation kann ein entscheidender Anstoss sein, sich Hilfe zu holen. Möglicherweise fühlen sich Betroffene aber erst recht unverstanden und unter Druck gesetzt. Sie zum Essen zu zwingen, Lebensmittel wegzusperren oder die Waage wegzunehmen, ist hingegen meist kontraproduktiv und kann die Betroffenen in die Isolation drängen.

Angehörige können stattdessen fragen, womit sie helfen können und dabei unterstützen, Hilfe zu holen. Eltern dürfen sich auch eingestehen, wenn eine Situation sie überfordert. Die Pro Juventute Elternberatung ist für sie da – niederschwellig und kostenlos.

Tipps für Eltern

  • Gesundes Körpergefühl: Ermutigen Sie Ihr Kind, auf die Bedürfnisse seines Körpers zu achten und vermitteln Sie Freude an Bewegung und Ernährung. Stärken Sie das Selbstvertrauen, indem Sie innere statt äussere Werte ins Zentrum rücken.
  • Vorbild sein: Kinder schauen sich Gewohnheiten und Einstellungen von den Eltern ab. Leben Sie in der Familie eine gesunde Beziehung zum Essen und zu Sport vor und machen Sie den eigenen Selbstwert nicht vom Äusseren abhängig. 
  • Gespräch anbieten: Fragen Sie Ihr Kind, was es beschäftigt. Seien Sie aber vorsichtig, wenn Sie Ihre Sorgen ansprechen. Denn viele Kinder und Jugendliche mit einer Essstörung schämen sich für ihr Verhalten. Vermeiden Sie Vorwürfe. Sprechen Sie problematisches Essverhalten nicht beim Essen an.
  • Hilfe holen: Ermutigen Sie Ihr Kind, sich Hilfe zu holen, wenn es ein gestörtes Essverhalten zeigt. Sie können es unterstützen, geeignete Fachpersonen zu finden. Weitere Informationen über Essstörungen sowie nützliche Adressen erhalten Sie bei der Schweizerischen Gesellschaft für Essstörungen. 

Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit ZETA Movement entstanden. ZETA Movement ist ein Projekt von jungen Erwachsenen für Jugendliche, das darauf abzielt, den Kreislauf der Stigmatisierung und des Schweigens im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen in der Schweiz zu durchbrechen. ZETA Movement Ambassadors sind junge Menschen, die selbst an psychischen Erschütterungen leiden oder gelitten haben und sich nun in einem fortgeschrittenen Stadium der Genesung befinden. Sie berichten Jugendlichen zwischen 13 und 18 Jahren in Besuchen an Schulen oder in Jugendorganisationen von ihren eigenen Erfahrungen, um mit ihnen einen ehrlichen und gleichberechtigten Dialog über das Thema psychische Gesundheit zu führen.

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