Entwicklung & Gesundheit
Stand: 08.02.2024

Gemeinsam stärker dank Sozialkompetenz

Kinder und Jugendliche, die über Sozialkompetenz verfügen, sind resilienter. Doch wie werden soziale Fähigkeiten erworben? Erfahren Sie, welchen Einfluss Emotionsregulation und Empathie auf soziale Kompetenzen haben und wie Sie beides fördern können.
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Kinder zusammen in der Schule.

Wie wir mit schwierigen Situationen umgehen, hängt einerseits von unseren Ressourcen ab. Andererseits ist es einfacher, Schicksalsschläge zu bewältigen, wenn wir auf Unterstützung von aussen zurückgreifen können. Unsere Familie und enge Freunde können uns in Krisen helfen, psychisch gesund zu bleiben.

Doch diese Unterstützung ergibt sich nicht nur von allein. Es ist erwiesen, dass Menschen mit hohen sozialen Kompetenzen mehr enge Freunde haben, auf welche sie im Ernstfall zählen können. Das zeigt sich schon bei Kindern und Jugendlichen: Heranwachsende, die über hohe soziale Kompetenz verfügen, haben ein grösseres Beziehungsnetz als andere. Je älter Kinder werden, desto höher ist der Stellenwert von Freundschaften.

Was wir unter Sozialkompetenz verstehen

  • Kooperationsfähigkeit: Gelingt es uns, gemeinsam mit anderen eine Aufgabe zu lösen?
  • Konfliktfähigkeit: Können wir mit Auseinandersetzungen umgehen und sie konstruktiv austragen?
  • Kritikfähigkeit: Gelingt es uns, Kritik anzunehmen und mit ihr konstruktiv umzugehen?

Eltern leben Sozialkompetenz vor

Kinder lernen Sozialkompetenz durch Nachahmen. Bereits Babys schauen sich das Verhalten der Eltern ab und erfahren zum Beispiel schon früh, dass sie Bestätigung erhalten, wenn sie lächeln. Genauso beobachten sie aber auch, wie ihre Mutter oder ihr Vater reagieren, wenn ihnen etwas missfällt. Möchten Eltern also die Sozialkompetenz ihrer Kinder fördern, müssen sie soziales Verhalten vorleben. 

Das ist einfacher gesagt als getan und im Alltag mit Kindern nicht immer einfach. Welches Mami, welcher Papi hat nicht schon mal impulsiv reagiert, wenn das Kind eine Regel zum gefühlt hundertsten Mal missachtet hat? Das ist menschlich und nicht bedenklich. Kinder und Jugendliche profitieren auch davon, wenn Eltern ihr Verhalten reflektieren und sich gegebenenfalls entschuldigen. Das ist ebenfalls eine soziale Kompetenz.

Wer sich selbst besser steuern kann, kann sich in sozialen Situationen adäquater verhalten.
Tracy Wagner
Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Pro Juventute

Neben den Eltern sind andere Kinder wichtige Vorbilder. «Im Spiel lernen Kinder voneinander. Sie interagieren, erfahren Möglichkeiten, wie sie auf andere zugehen können und erproben im Rollenspiel verschiedene Verhaltensweisen», sagt Tracy Wagner, Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Pro Juventute. «In Freundschaften erfahren Kinder und Jugendliche nicht nur Freude, sondern erhalten wichtige Lernchancen für soziale Kompetenzen.»

Emotionen regulieren

Sozialkompetenz hängt stark davon ab, inwiefern Kinder und Jugendliche ihre Emotionen regulieren können. Tracy Wagner: «Wer sich selbst besser steuern kann, kann sich in sozialen Situationen adäquater verhalten.» Eltern können ihr Kind unterstützen, dies zu lernen. Um Gefühle überhaupt wahrnehmen zu können, ist es wichtig über sie zu sprechen und ein Vokabular für sie zu entwickeln. Und zwar nicht nur für die schönen Gefühle. Genauso sollte es normal sein, über unangenehme Empfindungen wie Wut, Trauer oder Angst zu sprechen. 

Darüber hinaus ist für Kinder und Jugendliche hilfreich, zu verstehen, was die Gefühle auslöst. Meist stecken hinter Gefühlen wie Frust oder Ärger unbefriedigte Bedürfnisse. Das zu erkennen, kann helfen, belastende Emotionen zu regulieren und Strategien zu entwickeln, um mit den verschiedensten Gefühlen umgehen zu können − eine gute Voraussetzung für Sozialkompetenz. Denn wer schnell wütend wird und seiner Wut freien Lauf lässt, wird es auch im Umgang mit anderen Menschen nicht einfach haben.

Empathie lernen

Freundschaften und Beziehungen funktionieren langfristig besser, wenn sich Kinder und Jugendliche in andere Menschen hinein versetzen und deren Perspektive übernehmen können. Kleine Kinder können das noch nicht. Zwar weinen manche Babys mit, wenn ein anderes Baby weint. Doch um echte Empathie empfinden zu können, müssen Kinder die Sichtweise anderer einnehmen können. Viele Kinder können das im Alter von drei bis fünf Jahren. Aber es ist wie bei allen Schritten in der Entwicklung: Jedes Kind durchläuft sie in seinem eigenen Tempo.

Das Einfühlungsvermögen kann jedoch gefördert werden. Am besten geschieht das im gemeinsamen Gespräch. Eltern können Kinder beispielsweise fragen, wie sich eine Person in einem Buch oder in einem Film fühlt. Nach einem Konflikt kann darüber gesprochen werden, was das andere Kind empfindet. Wie würde sich das Kind selbst in dieser Situation fühlen? Welche Bedürfnisse hatte das andere Kind? Wie könnte man auf die Gefühle des Gegenübers reagieren? Eltern sind auch diesbezüglich wichtige Vorbilder, etwa indem sie sich für das eigene Fehlverhalten entschuldigen.

Tipps für Eltern: Sozialkompetenz von Kindern stärken

  • Kontakte ermöglichen: Sozialkompetenz erwerben Kinder am besten in Kontakt mit Gleichaltrigen. Ermöglichen Sie Ihrem Kind solche Kontakte von klein auf.
  • Konflikte ertragen: Greifen Sie nicht in jeden Streit Ihres Kindes ein. Kinder müssen lernen, Streit unter sich zu regeln. Bei Bedarf können Sie Lösungsvorschläge vorschlagen. 
  • Vorbild sein: Leben Sie Ihrem Kind soziales Verhalten vor. Zuhören, andere ausreden lassen oder sich entschuldigen, wird es von Ihnen übernehmen.
  • Über Emotionen sprechen: Kinderbücher oder -filme eignen sich gut als Beispiele, um mit Kindern darüber zu sprechen, wie sich andere fühlen. 

Grundlagen für Sozialkompetenz

Sozialkompetenz kann jedoch nicht rein isoliert betrachtet werden. Wie gut Kinder und Jugendliche Beziehungen und Freundschaften eingehen können, hängt auch davon ab, ob sie über eine sichere Bindung verfügen. Ist das der Fall, können sie sich anderen gegenüber eher öffnen. Ebenso fällt es Heranwachsenden, die von ihrer Selbstwirksamkeit überzeugt sind, einfacher, auf andere zuzugehen, Konflikte zu lösen und Freundschaften zu pflegen.

Kinder und Jugendliche, welche über eine sichere Bindung, eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung sowie soziale Kompetenz verfügen, können schwierige Situationen einfacher bewältigen. Sie sind resilienter und können besser mit Widrigkeiten umgehen.

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