Entwicklung & Gesundheit

Die magische Welt des Kindes

Manchmal sind Eltern irritiert, wenn Kinder Dinge erzählen, die unmöglich passiert sein können. In der kindlichen Vorstellungskraft ist es möglich, dass ein Ungeheuer unter dem Bett sitzt und Hexen Zauberkräfte haben. Denn im Kleinkindalter vermischen sich Realität und Fantasie.
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Kleinkinder möchten ihre Umgebung entdecken. Eltern müssen entscheiden wann sie Grenzen setzen.

Kinder stellen sich geheimnisvolle Wesen vor, die Wünsche erfüllen, in der Not helfen, sie beschützen und bei ihnen sind, wenn sie sich allein fühlen. Feen, Schutzengel, wilde Tiere, Zwerge sind für das Kind lebendig. Es braucht diese Fantasien, um die Wirklichkeit zu bewältigen und seine vielfältigen Gefühle zu ordnen. Das Kind erlebt diese Wesen oft als allgegenwärtig, körperhaft, «immer da». Diese ständige Anwesenheit kann von einzelnen Kindern als unangenehm, ja sogar als bedrohend empfunden werden. Vor allem in der Dunkelheit wecken sie manchmal Ängste. 

Ein Krokodil unterm Bett

So kann zum Beispiel «das Krokodil unter dem Bett» plötzlich mitten in der Nacht erwachen. Es ist wichtig, dass Ihr Kind weiss, dass es über solche Gestalten verfügen kann. Geben Sie Ihrem Kind einen Bären oder ein anderes Plüschtier mit ins Bett, das es «beschützt». Vielleicht hilft auch ein Zauberstab, der die Tiere gehorchen lässt, oder Sie basteln zusammen ein «Angstfrässerli». Es ist auch möglich, dass Sie mit dem Kind einen Rundgang durchs Zimmer machen und mit der imaginären Figur sprechen. Sie können so tun, als würden Sie «das Krokodil» einsperren oder fortschicken. 

Ängste ernst nehmen

Es ist sehr wichtig, dass Sie Ihr Kind mit seinen Vorstellungen ernst nehmen. Missbrauchen Sie den Glauben Ihres Kindes nie und machen Sie ihm keine Angst damit. Versuchen Sie, Ihrem Kind diese magischen Vorstellungen nicht auszureden mit Worten wie: «Das bildest du dir nur ein» oder «So etwas gibt es gar nicht». Die Angst des Kindes bleibt weiterhin bestehen, weil in seiner Wirklichkeit «das Krokodil» dableibt oder nachts erscheint. Es fühlt sich bloss unverstanden. Mit Gesprächen können Sie ihm helfen, eigene wirkungsvolle Wege zu finden, um seinen Ängsten zu begegnen.

Wirklichkeit und Fantasie

Es hängt mit der lebhaften Vorstellungsfähigkeit zusammen, dass Ihr Mädchen oder Ihr Bub in diesen Monaten mit ziemlicher Sicherheit beginnt, eine blühende Fantasie zu entwickeln. Zu beobachten ist das auch im Spiel, das von Fantasie und Kreativität geprägt ist. So wird der Stuhl zum Beispiel zum Auto, der alte Pappkarton zum Haus, der Schuh zum Schiff, der Teppich zum See. In einer Kindergruppe werden die Rollen ungeachtet des Geschlechts und der Grösse verteilt. Der älteste Junge wird zum Baby, das kleinste Mädchen zum Vater und so weiter. Beim Spielen und in der Fantasie gibt es keine Grenzen! Üblich sind auch blitzschnelle Wechsel von einer Welt in die andere. Ist es Zeit zum Mittagessen, wird aus dem «Auto» halt wieder ein Stuhl.

Die Stärke der Vorstellungskraft 

Das Bedürfnis nach magischen Vorstellungen wird sich in den nächsten Jahren noch stärker zeigen, zwischen dem vierten und dem achten Lebensjahr ist es am grössten. Sie haben also noch lange Zeit, über die Vorstellungskraft Ihres Sohnes oder Ihrer Tochter zu staunen und daraus viele kreative Lösungsansätze wachsen zu sehen. Möglicherweise erzählt Ihr Kind eines Abends, das «Sandmännchen» sei eben da gewesen; es habe ganz viel Sand ins Bett gestreut und sei dann aus dem Fenster geklettert. Solche Fantasien sind nicht als Lügen zu verstehen. Im kindlichen Denken vermischen sich Wirklichkeit, Wunschvorstellung und Fantasie. Vielleicht entdecken Sie, dass ein Stück Kuchen verschwunden ist. Auf Ihre Frage antwortet das Kind, die Katze habe den Kuchen gefressen. Auch das entspringt der kindlichen Fantasie. Vielleicht hat Ihr Kind einmal beobachtet, wie die Katze genascht hat. Warum sollte sie in seiner Vorstellung nicht ein ganzes Stück Kuchen holen? Ein anderes Mal macht es Ihnen vielleicht weis, der Hund habe die Tapete bemalt. Lügt es dann? Soll es bestraft werden, damit es sich das «abgewöhnt»? Nein, ganz sicher nicht, denn mit «Lügen» hat das wirklich noch nichts zu tun.

Realität und Fantasiewelt vermischen sich 

Kinder können zwar zwischen Vorstellung und Realität unterscheiden, doch die Grenzen zwischen realer und Fantasiewelt noch nicht klar setzen. Das heisst, von ihrem Entwicklungsstand her sind sie im jetzigen Alter gar noch nicht fähig, absichtlich zu lügen. Erst wenn ein Kind seine Handlungen abschätzen und sich in die Lage oder Bedürfnisse eines anderen hineinversetzen kann, besitzt es die notwendigen Voraussetzungen zum «richtigen» Lügen. Etwa im Alter von vier, fünf Jahren kann es die Folgen seiner Taten abschätzen und erkennt auch, dass diese unter Umständen unangenehme Konsequenzen haben könnten. Sich durch eine Lüge einem Konflikt zu entziehen, erscheint dem Kind dann vielleicht einfacher.

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Ratgeber Elternbriefe

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Kapitel «Die magische Welt des Kindes» des Elternbriefes 23 «Ihr Kind ist drei Jahre alt».

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