Familie & Gesellschaft

Sexualerziehung und digitale Medien

Früh mit Kindern über Sexualität zu sprechen, ist wichtig. Auch wenn es vielleicht etwas Mut braucht und es Eltern peinlich ist. Aufgeklärte Kinder sind besser vor sexuellen Übergriffen geschützt. Es lohnt sich, solche Gespräche zu führen.
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Mutter und Tochter im Gespräch. Früh mit Kindern über Sexualität sprechen ist wichtig.

Autorin: Sarah Reist
Fachmitarbeiterin Sexuelle Gesundheit, Berner Gesundheit

Keine Angst, Eltern wecken keine schlafenden Hunde, nur weil sie mit ihren Kindern über Sexualität sprechen. Im Gegenteil, aufgeklärte Kinder sind besser vor sexuellen Übergriffen, ungeplanten Schwangerschaften und sexuell übertragbaren Krankheiten geschützt. Grundsätzlich gilt also, je früher desto besser. Eltern sollten sich auf spannende Gespräche einlassen, sich interessiert zeigen und in Kontakt mit der Tochter oder dem Sohn bleiben. 

Weil Bilder von Schönheitsidealen Jugendliche stark prägen, verunsichern sie und setzen das eigene Selbstwertgefühl herunter. Auch solche Themen beeinflussen den Umgang mit Sexualität und können mit Jugendlichen besprochen werden.

Alltagssituationen für Gespräche nutzen

Ein Beitrag in einer Zeitung zum Thema Sexualität oder Sexting, eine Werbung oder pornografische Inhalte im Fernsehen können als Start für ein Gespräch genutzt werden. Wichtig ist, dass Eltern stets nach der Meinung der Tochter oder des Sohnes fragen. Vielleicht auch nachfragen, wie die Kolleginnen und Kollegen darüber denken. Ein Spaziergang oder eine Autofahrt ist ideal für solche Gespräche. Man muss sich nicht direkt anschauen. Jugendliche erwecken oft den Eindruck, als ob sie schon sehr viel oder fast alles wüssten. Beim genaueren Nachfragen und darüber sprechen, zeigt sich jedoch, dass viel Halbwissen dabei ist. Jugendliche beschäftigen immer noch sehr ähnliche Fragen wie damals als ihre Eltern jung waren. Falls es Überwindung kostet dieses Thema anzusprechen, dürfen Eltern auch ruhig ehrlich sein und das sagen. So lernt das Kind, dass man zu Gefühlen und Unsicherheiten stehen kann. 

Wissenswertes über Pornos 

Teilweise kommen Kinder schon früh mit sexuellen Inhalten in Kontakt. Sei es im Internet oder durch Kolleginnen und Kollegen. Deshalb empfiehlt es sich, früh über diese Thematik zu sprechen. Beispielsweise kann man Kindern sagen, dass es Filme im Internet gibt, die Menschen beim Sex zeigen. Diese Filme sind für Erwachsene gemacht und können romantisch sein, wild wie ein Actionfilm oder auch brutal. Falls Kinder Filme oder Bilder gesehen haben, die sie beschäftigen oder stressen, sollten sie wissen, dass sie mit den Eltern oder einer erwachsenen Vertrauensperson darüber sprechen können. Ohne Aufklärung besteht das Risiko, dass Jugendliche denken, Pornos sind real und Sex läuft in Wirklichkeit so ab. 

Aufgeklärte Kinder sind besser vor sexuellen Übergriffen geschützt.

Erwähnenswert ist, dass manchmal die Emotionen und der Körper nicht übereinstimmen. Vielleicht finden Jugendliche eine Szene gar nicht toll oder sogar abschreckend und verspüren trotzdem eine Erregung. Eltern können das Kind beruhigen, dass das eine normale körperliche Reaktion ist und es weder abnormal noch pervers ist. 

Gefahren von Sexting 

Sexting bedeutet, sexuelle Texte oder erotische Bilder über das Handy zu senden. Jugendliche machen Sexting aus Neugier, zum Flirten, zur Erregung oder um dem Gegenüber zu gefallen. Doch Sexting birgt auch Gefahren. Schnell geraten Bilder in falsche Hände und werden ungefragt weitergeteilt. Oftmals leiden die Opfer ungemein darunter. Über dieses Thema sollten Eltern ebenfalls mit ihrem Kind sprechen. So befähigen sie es, Nein zu sagen und sich zugleich darin zu üben, ein Nein zu akzeptieren. Hilfreich ist, aktuelle Beispiele aus den Medien zu besprechen und sich darüber auszutauschen. 

Opfer und Täter

Schnell geraten Jugendliche, die ein Foto machen, auch mit dem Gesetz in Konflikt. Wenn unter Sechzehnjährige Nacktbilder herstellen, kann das als Kinderpornografie bewertet werden. So leidet das Opfer gleich doppelt: Es ist peinlich, weil ein Foto kursiert, das nur für eine Person bestimmt war. Ausserdem muss es mit der Tatsache umgehen, dass es gegen das Gesetz verstossen hat.

Niederschwellige Unterstützung in einer solchen Situation erhalten Kinder und Jugendliche bei Clickandstop.ch sowie bei 147 - Beratung & Hilfe für Kinder und Jugendliche.

Chancen und Risiken digitaler Medien

Mittels digitaler Medien können sich Jugendliche rasch austauschen und sich schnell und anonym informieren. Doch die Schnelllebigkeit des Internets birgt Risiken. Erotische Bilder, die eigentlich für eine Freundin oder einen Freund gedacht sind, geistern plötzlich im Klassenchat herum. Der vermeintliche tolle Junge mit dem gechattet wurde, entpuppt sich als älterer Herr, der pornografische Darstellungen sucht und weiterverbreitet (mehr dazu im Artikel Cybergrooming). Eltern können Kinder nicht genug darauf aufmerksam machen, dass sich die Verbreitung von Bildern und Videos im Internet nur schwer stoppen lässt. 

Tipps für Eltern

  • Zeigen Sie Interesse an der Welt der Jugendlichen und sprechen Sie über Tabuthemen. 
  • Diskutieren Sie mit Ihrem Kind über Werte, die Ihnen wichtig sind.
  • Lassen Sie Ihr Kind wissen, dass es sich Ihnen jederzeit anvertrauen kann, auch wenn etwas Peinliches passiert ist. 
  • Weisen Sie Ihr Kind auf gute Links hin, wie zum Beispiel den Verein Lilli oder Beratung + Hilfe 147, oder geben Sie Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn Infomaterial zum Thema Sexualität zu lesen. So stellen Sie sicher, dass Ihr Kind Zugang zu gesichertem Wissen hat.
  • Falls Sie nicht wissen, wie Sie mit Ihrem Kind über gewisse Themen sprechen sollen, holen Sie sich bei einer Beratungsstelle Unterstützung. Antworten auf Fragen erhalten Sie auch rund um die Uhr bei der Pro Juventute Elternberatung.
  • Orientierung und Tipps zur sexuellen Entwicklung und Begleitung von Kindern und Jugendlichen finden Sie auch unter «Sexualerziehung Eltern», ein Angebot der Fachstellen Kinderschutz Schweiz und Sexuelle Gesundheit Schweiz. 
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