Entwicklung & Gesundheit

Mein Kind spricht von Suizid – was tun?

Wenn Kinder oder Jugendliche von Suizid sprechen, macht dies Angst und löst viele Fragen aus. Und doch ist wichtig, dass Eltern ruhig reagieren. Was können Eltern tun, wenn ihr Kind Suizidgedanken hat, und wie können sie sich selbst Sorge tragen?
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Selbstmordgedanken-Kinder

Manchmal äussern sich Jugendliche radikal: «Immer bin ich an allem Schuld. Ich will nicht mehr leben!» Ein solcher Ausruf kann eine Frustreaktion sein und ist längst nicht in jedem Fall ein Anzeichen für Suizidalität. Heranwachsende sind mit vielen Herausforderungen konfrontiert und gerade in der Pubertät stellen Jugendliche so manches infrage.

Das Wichtigste in Kürze

  • Bleiben Sie ruhig und Ihrem Kind zugewandt.
  • Nehmen Sie Suizidäusserungen ernst.
  • Lassen Sie sich von einer Fachperson unterstützen.
  • Schaffen Sie Situationen, in denen Ihr Kind über Sorgen, Trauer, Angst, etc. sprechen kann.
  • Stärken Sie die Beziehung zu Ihrem Kind, indem Sie Zeit miteinander verbringen

Gut hinschauen, wenn Jugendliche Selbstmordgedanken äussern

Sagt Ihr Kind wiederholt Dinge wie: «Es wäre besser, wenn ich nicht mehr da wäre!», «Ich bin ja sowieso nur eine Last für euch alle!», sollten Sie dies ernst nehmen und genauer hinschauen. Wirkt Ihr Kind niedergeschlagen? Verhält es sich anders als gewohnt?

Manche Jugendliche können ihre Gedanken nur schwer in Wort fassen. Möglicherweise liefern sie aber symbolische Hinweise. Etwa indem sie sich in Aufsätzen mit dem Tod befassen, traurige Gedichte verfassen oder Grabsteine zeichnen. Zwar kann es sein, dass das Thema Tod Jugendliche einfach nur fasziniert. Es kann aber auch sein, dass Ihr Kind Hilfe braucht. 

Warnsignale für akute Suizidabsichten

Je konkreter die Suizidankündigung, desto höher ist das Risiko, dass sich Jugendliche tatsächlich etwas antun. Auch wenn Ihr Kind Abschiedsbriefe schreibt, sehr persönliche Gegenstände oder Haustiere verschenkt, ist Handeln angebracht. 

Wenn Ihr Kind suizidale Äusserungen macht, ist es gut, wenn Sie dies ernst nehmen. Doch handeln Sie erst, wenn Sie einigermassen ruhig und gefasst sind. 

Das Gleiche gilt, wenn Ihr Kind nach einer längeren Phase, in der es ihm nicht gut ging, plötzlich sehr erleichtert und ruhig wirkt, obwohl sich die Krisensituation nicht verbessert hat. Das kann darauf hindeuten, dass eine Person nicht mehr überlegt, ob sie ihr Leben beenden möchte, sondern den Entscheid dazu bereits gefasst hat.

Zwingend ernst zu nehmen ist auch, wenn Kinder oder Jugendliche Medikamente sammeln, sich im Internet über Suizidmethoden informieren, bestimmte Orte wie zum Beispiel eine Brücke oder eine Bahnstrecke aufsuchen oder sogar schon konkrete Pläne haben, wie sie sich töten wollen. Es könnte der Vorbereitung für einen Suizid dienen.

Was tun, wenn Ihr Kind Suizidgedanken hat?

1. Behalten Sie Ruhe

Wenn Ihr Kind suizidale Äusserungen macht, ist es gut, wenn Sie dies ernst nehmen. Doch handeln Sie erst dann, wenn Sie dabei einigermassen ruhig und gefasst sind. Panische Reaktionen erschweren die Verständigung oder können sogar kontraproduktiv sein. 

2. Seien Sie für Ihr Kind da

Nehmen Sie sich Zeit für Ihr Kind, auch wenn es möglicherweise in dem Moment nicht erzählen möchte. Schenken Sie ihm ungeteilte Aufmerksamkeit. Sagen Sie ihm, dass Sie die Probleme ernst nehmen und es mit Ihnen über alles sprechen kann. Sagen Sie, dass Sie an eine Lösung glauben und helfen werden, diese zu finden. So vermitteln Sie Hoffnung. Vermeiden Sie Vorwürfe oder Schuldzuweisungen. Ihr Kind benötigt Verständnis für seine Gefühle und Gedanken, keine Vorwürfe.

3. Sprechen Sie mit Ihrem Kind über die Suizidgedanken

Nehmen Sie Ihr Kind beim Wort und fragen Sie ganz konkret nach: «Was meinst du, wenn du sagst, du magst nicht mehr?» Oder: «Es macht mir Sorgen, wie du dich verändert hast. Tauchen bei dir manchmal Gedanken auf, dass du dir das Leben nehmen willst?». Man bringt mit solchen Fragen niemanden auf die Idee, einen Suizidversuch zu machen. Im Gegenteil: Über solche Gedanken sprechen zu können, entlastet. Suizidgedanken tauchen in schwierigen Lebenssituationen oft plötzlich auf und können den Betroffenen Angst machen. Wird darüber gesprochen, merkt das Kind, dass es nicht abnormal ist, sondern einfach Hilfe braucht – wie viele Kinder und Jugendliche.

4. Zeigen Sie, dass Sie die Sorgen ernst nehmen

Fragen Sie nach, bis Sie das Gefühl haben, zu verstehen, was Ihr Kind fühlt. Sie können zum Beispiel sagen: «Was denkst du, wie ist es dazu gekommen, dass bei dir solche Gedanken auftauchen?» Hören Sie zu, auch wenn die Antwort trotzig oder beschuldigend ausfällt. Teenager-Sorgen sind für uns Erwachsene nicht immer nachvollziehbar. Versuchen Sie trotzdem nicht, die Äusserungen zu relativieren oder richtigzustellen. Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie es ernst nehmen. Zum Beispiel, indem Sie sagen: «Ich wusste nicht, dass es für dich gerade so schlimm ist. Du bist mir wichtig. Ich bin für dich da. Wir werden gemeinsam einen Weg finden, damit es dir wieder besser geht.» Äussern Sie Ihre Besorgnis, machen Sie dem Kind aber kein schlechtes Gewissen oder Druck.

5. Holen Sie professionelle Hilfe

Wenn Jugendliche Suizidgedanken haben, ist professionelle Begleitung wichtig. Der Hausarzt des Kindes kann Sie bei der Suche nach einer psychotherapeutischen Fachperson unterstützen und gegebenenfalls einen Vitaminmangel ausschliessen. Oder Sie wenden sich direkt an den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst. Sie und ihr Kind werden dort beraten und bei Bedarf sind therapeutische Angebote vorhanden. In einem ersten Schritt können Sie sich auch an die Pro Juventute Elternberatung wenden, um in Ruhe das weitere Vorgehen zu besprechen. Kinder und Jugendliche selber können sich rund um die Uhr kostenlos an die Beratung + Hilfe 147 wenden.

Was tun bei akuter Gefährdung?

Ist Ihr Sohn oder Ihre Tochter stark suizidgefährdet, sollten Sie Ihr Kind in psychiatrische Obhut geben. Eine Einweisung kann via die Hausarztpraxis, den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst oder den notfallärztlichen Dienst erfolgen. Das eigene Kind in eine psychiatrische Klinik einzuweisen, allenfalls sogar gegen seinen Willen, tut weh und kann Angst auslösen. Doch halten Sie sich vor Augen: Es geht darum, die akut suizidale Zeit zu überstehen. In einem stationären Setting sind suizidale Personen gut stabilisierbar.

Verbringen Sie Zeit mit Ihrem Kind

Sorgen Sie auch über die akute Situation hinaus immer wieder für Gesprächsmöglichkeiten. Sprechen Sie mit Ihrem Kind über schwierige Emotionen wie Sorgen, Trauer, Angst, Wut, Enttäuschung oder generell das Leben. Denn Suizidgedanken verschwinden nicht einfach so auf die Schnelle. In den Köpfen der betroffenen Menschen sind sie oftmals über eine längere Zeit präsent.

Mindestens so wichtig ist, nicht nur noch über Probleme zu sprechen, sondern die Bindung zu Ihrem Kind grundsätzlich zu stärken. Schaffen Sie darum Zeitinseln, in denen kein Gesprächsdruck besteht, sondern die Möglichkeit, gemeinsam einfach «zu sein»: Gemeinsame Spaziergänge, Abwaschen, ein Spiel spielen, zusammen einkaufen gehen, nach dem Fernsehgucken sitzen bleiben und einen Tee trinken.

Suizidgedanken bei jüngeren Kindern

Suizid kommt bei Kindern vor der Pubertät zum Glück selten vor. Trotzdem können schon im Primarschulalter suizidale Gedanken auftauchen. Erwachsene sollten es ernst nehmen, wenn Kinder davon sprechen, nicht mehr leben zu wollen. Denn solche Äusserungen können bei jüngeren Kindern ein Hilferuf sein. Ursachen dahinter können beispielsweise traumatische Erlebnisse, eine psychische Erkrankung, Probleme in der Familie oder Leistungsdruck in der Schule sein. Ein Kinderpsychologe oder -psychiater kann helfen, die Ursachen zu identifizieren und geeignete Behandlungsmöglichkeiten empfehlen.

Tragen Sie sich und Geschwistern Sorge

Spricht das eigene Kind von Suizid, ist das für die ganze Familie meist zutiefst erschütternd und kann ein Gefühl von Ohnmacht auslösen. Tragen Sie sich in dieser schweren Situation selbst Sorge: Holen Sie sich Unterstützung durch eine Vertrauensperson. Tun Sie Dinge, die Ihnen selbst guttun: Bewegung, Sport, Musik hören, Kochen oder was Sie mögen.

Eine Krise eines Kindes kann auch für die Geschwister anspruchsvoll sein. Da Kinder in akuten Krisen viel Aufmerksamkeit und Energie brauchen, kann es sein, dass sich die Geschwister vernachlässigt fühlen. Möglicherweise trauen sie sich nicht, über ihre eigenen Schwierigkeiten zu sprechen, weil sie keine zusätzliche Belastung sein möchten. Eltern können dem entgegenwirken, indem sie auch Geschwistern Exklusivzeit ermöglichen und sie dazu ermutigen, über Ihre Gefühle und Gedanken zu sprechen.

Holen Sie für sich selbst Hilfe

Zögern Sie nicht, selbst professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Ihr Kind suizidale Absichten hat. Besonders, wenn Ihre Gedanken immer sorgenvoll um die Situation Ihres Kindes kreisen. Oder wenn Sie nicht mehr schlafen können, sich nur noch niedergeschlagen und hoffnungslos fühlen. Wenden Sie sich dafür in einem ersten Schritt an Ihre Hausarztpraxis oder an die Pro Juventute Elternberatung.

Es ist wichtig, zu wissen, dass Sie nicht allein sind. Krisen sind Teil der Entwicklung in der Pubertät. Suizidgedanken kommen bei Teenagern vergleichsweise häufig vor. Der Austausch mit anderen betroffenen Eltern kann unterstützend wirken. Informieren Sie sich über Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen für Eltern von Kindern mit psychischen Problemen.