Familie & Gesellschaft

Digitale Medien – wie viel Schutz und Freiraum brauchen Kinder?

Wo brauchen Kinder im Umgang mit digitalen Medien Schutz? Wo ist Freiraum besser? Erfahren Sie, was das Gesetz dazu sagt und was Kinder und Jugendliche selbst darüber denken, damit Sie die für Ihre Familie passenden Entscheidungen treffen können.
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Vater und Sohn üben Umgang mit digitalen Medien.

Eltern möchten ihre Kinder vor Gefahren im digitalen Raum schützen. Dabei das richtige Verhältnis zwischen Schutz und Freiraum zu finden, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Und was heute stimmig ist, wird mit zunehmendem Alter des Kindes wieder anders zu beurteilen sein.  

Wer hat die Aussage «Alle anderen dürfen, nur ich nicht…» nicht auch schon von seinem Kind zu hören bekommen? Ob sie der Realität entspricht oder nicht, sei dahingestellt. Zum Nachdenken bringt sie uns wohl so oder so. Sind wir zu streng? Wäre mehr Freiraum angebracht? Rechtliche Grundlagen können uns dabei helfen, zwischen Schutz und Freiraum abzuwägen.

Das sagen die UNO-Kinderrechte

Richtlinien geben uns die UNO-Kinderrechte, welche auch im digitalen Raum gelten:  

  • Kinder haben das Recht auf Schutz und Sicherheit, aber auch das Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Das bedeutet, dass Eltern dafür sorgen müssen, dass ihre Kinder sicher im Internet unterwegs sind (Art. 19, UN-KRK).  
  • Weiter heisst es auch, dass Eltern ihren Kindern den Zugang zu digitalen Medien ermöglichen (Art. 17, UN-KRK) und sie in der Medienkompetenz fördern (Art. 28, UN-KRK) sollen.  
  • Und Kinder haben das Recht auf Privatsphäre (Art. 16, UN-KRK). Der Schutz durch die Eltern muss die Privatsphäre berücksichtigen und verhältnismässig sein.  

Das sagt das Schweizer Gesetz

Auch das schweizerische Gesetz gibt Anhaltspunkte zur Frage von Schutz und Freiraum. Zwei Grundsätze zur Aufsichtspflicht gelten auch für den digitalen Raum:  

  • Kinder sollen Kinder bleiben und auch Fehler machen dürfen, um aus ihnen zu lernen.
  • Eltern haben allerdings dafür zu sorgen, dass dieses «Fehler-Machen-Dürfen» nicht zu schweren Schädigungen der Kinder führt oder auf Kosten Dritter erfolgt.
Eltern können nicht alles kontrollieren, das ist einfach so. Wenn sie den Kindern Vertrauen schenken und nicht alles kontrollieren, werden die Kinder auch eher bei Problem zu den Eltern kommen.
Aussage aus einer anonymen Umfrage unter Kindern und Jugendlichen.

Umsetzung in der eigenen Familie

Die verschiedenen Gesetzesartikel zeigen, dass Eltern ihre Kinder im Umgang mit digitalen Medien begleiten und sie vor ungeeigneten Erfahrungen schützen müssen. Wie das konkret aussieht, lassen sie offen. Ebenso ist es im Ermessen der Eltern, wie sie Kindern den Zugang zu digitalen Medien ermöglichen möchten. Dieser richtet sich auch nach dem Alter und der Entwicklung des Kindes. 

Zugang heisst nicht ausschliesslich, dass das Kind die digitalen Medien selbst nutzen muss. Zum Beispiel kann ein Kleinkind auch Zugang erhalten, wenn es bei den Eltern mitschauen darf, wenn sie mit dem Handy den Fahrplan abfragen.

Allgemein lässt sich sagen, dass im Umgang mit digitalen Medien bei Kindern ein absolutes Verbot ebenso wie eine komplette Selbstüberlassung nicht zu empfehlen ist. Kinder benötigen von den Eltern eine aktive Begleitung.

Das Kind sollte das Gefühl haben, mit seinen Eltern über alles reden zu können ohne verurteilt oder bestraft zu werden. So wird das Vertrauen gestärkt und die Kinder sind geschützter.
Aussage aus einer anonymen Umfrage unter Kindern und Jugendlichen.

Freiräume müssen zum Kind passen

Im Finden der eigenen Schutz- und Freiräume hilft es den Eltern, wenn sie sich nach der aktuellen Entwicklungsphase, dem Temperament und der Medienkompetenz des Kindes richten. 

Ähnlich wie beim Strassenverkehr wird das Kind Schritt für Schritt dem Alter und der Entwicklung entsprechend in den sicheren Umgang mit digitalen Medien eingeführt. Das beinhaltet, dass man als Eltern immer wieder prüft, was das Kind selbst übernehmen kann und wobei es noch Unterstützung und Schutz benötigt. 

Online-Veranstaltungen für Eltern

Die Auslotung von Schutz und Freiräumen sorgt in Familien immer wieder für Diskussionen. In unseren Online-Veranstaltungen erhalten Sie anhand konkreter Beispiele Informationen und Tipps, um der anspruchsvollen Aufgabe gerecht zu werden.

Zu den Veranstaltungen

Schutz vor Risiken im Internet

Nimmt man dem Kind zu viele Entscheidungen ab, schwächt es das Selbstvertrauen und reduziert mögliche Erfolgserlebnisse. Erfährt das Kind zu wenig Schutz, hat es bei möglichen Risiken im Internet nicht ausreichend Unterstützung und Fürsorge.

Sehr hilfreich für Eltern beim Erstellen der Frei- und Schutzräume ist der Einbezug von Meinungen und Ideen ihrer Kinder und Jugendlichen. So werden Bedürfnisse deutlicher, der Austausch und die Beziehung gestärkt und Regeln von beiden Seiten getragen.

Das sagen Kinder und Jugendliche

Was sagen die Kinder und Jugendlichen selbst zum Thema? Wo brauchen sie Schutz? Wo wünschen sie sich Freiraum? Wir haben Kinder und Jugendliche im Alter von neun bis 18 Jahren befragt, die sich im Rahmen des Youth Advisory Board (YAB) von Pro Juventute engagieren. Die Umfrage zeigt, dass sie grundsätzlich froh sind um Regeln.

  • Die Kinder und Jugendlichen finden den Schutz durch die Eltern bei der Einschränkung der Medienzeit und den Medieninhalten gut.  
  • Ebenfalls als passend und wertvoll betrachten sie den regelmässigen Austausch zu Beobachtungen und Erfahrungen.
  • Sie sind überzeugt, dass Kinder und Jugendliche besser vor Gefahren im Internet geschützt sind, wenn Eltern sie im Umgang mit digitalen Medien begleiten und unterstützen.
  • Freiraum statt Kontrolle wünschen sie sich für private Chats, dem Standort und bei selbstgemachten Fotos.  
  • Die grosse Mehrheit ist der Meinung, dass Kinder und Jugendliche selbstbewusster sind und selbstständiger Entscheidungen treffen können, wenn sie von ihren Eltern Vertrauen und Freiraum bekommen.
Ich finde, gerade wenn es darum geht, jemanden übers Internet kennenzulernen, ist es sehr wichtig, dass Eltern Bescheid wissen.
Aussage aus einer anonymen Umfrage unter Kindern und Jugendlichen.

Gute Balance von Schutz und Freiraum

Grundsätzlich ist es sinnvoll, an Geräten, die von Kindern genutzt werden, Sicherheitseinstellungen zu aktiveren. Gleichzeitig sollten Kinder aber befähigt werden, sich zunehmend selbst zu schützen. Dies, indem Eltern ihren Kindern altersentsprechende Freiräume ermöglichen, um selbständig Erfahrungen sammeln und Medienkompetenzen aufbauen zu können. 

Gestaltung der Freiräume

Freiräume bieten den Kindern die Möglichkeit selbstwirksam zu sein, ihren Interessen nachzugehen, eigene Entscheidungen zu treffen und Fehler machen zu dürfen. Freiräume, richten sich immer nach dem Entwicklungsstand und der Medienkompetenz des Kindes. Kinder sollten sich innerhalb dieser Freiräume fähig fühlen, sich selbst zu schützen und respektvoll mit anderen umzugehen.  

Freiräume bedeuten keine Grenzen- und Regellosigkeit. Um Freiräume zu schaffen, braucht es vorgängig eine gute Einführung und Regelungen. Regeln geben Orientierung und Vereinbarungen helfen dem Kind, sich in einem geschützten Rahmen zu bewegen und bewusst mit digitalen Medien umzugehen. Wie beispielsweise im Umgang mit dem ersten Smartphone.

«Der Erhalt eines eigenen Handys bedeutet oftmals auch mehr Selbstbestimmung in der eigenen Mediennutzung, da sich der Gebrauch des Handys zum Teil der elterlichen Kontrolle entzieht. Umso wichtiger ist es, dass Eltern mit dem Kind über den Handygebrauch sprechen und gemeinsam Regeln festlegen.» Mike-Studie 2021

Gestaltung des Schutzes

Kinder sollen den Schutz nicht als Strafe oder Überwachung, sondern als nachvollziehbare und unterstützende Hilfe erleben. Dazu ist es auch hilfreich, seine Gedanken als Eltern zu äussern. Es den Kindern erklären, warum man gewisse Dinge kritisch sieht, warum das Kind etwas (noch) nicht machen darf.  

Das Ziel der schützenden Begleitung und Beratung durch die Eltern ist, dem Kind einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien zu ermöglichen und Risiken im Internet zu vermindern. Beispielsweise indem Eltern mit dem Kind eine App sicher einrichten und ihm erklären, weshalb es die Privatsphäre einstellen und keine Anfragen von fremden Personen annehmen soll.  

Der Schutz dient dem Bedürfnis des Kindes und nicht dem der Eltern. Deshalb ist es nicht ratsam, sich Zugang zum Standort oder einem Chat des Kindes zu verschaffen. Ausser man hat gute Gründe dafür sowie das Einverständnis des Kindes. Erlebt das Kind Schutz als Kontrolle, kann es fehlendes Vertrauen, Überwachung und zu wenig Freiraum vermitteln. Dies fördert ein Verheimlichen und Umgehen der Regeln.

Tipps für Eltern

  • Geben Sie Ihrem Kind die Möglichkeit, selbständig Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen.  
  • Zeigen Sie Ihrem Kind, wie es sicher im Internet unterwegs sein kann und bieten Sie ihm angemessenen Schutz.
  • Interessieren Sie sich für die digitalen Erlebnisse und Meinungen Ihres Kindes. Schauen Sie zum Beispiel miteinander Videos auf YouTube oder TikTok und tauschen sich dazu aus.
  • Zeigen Sie Ihrem Kind, dass es immer auf Ihre Unterstützung zählen kann. Sagen Sie ihm, dass es sich bei Ihnen jederzeit Hilfe holen darf. 
  • Wenden Sie sich an die Pro Juventute Elternberatung, wenn Sie unsicher sind, wie viel Schutz und Freiraum für Ihr Kind sinnvoll ist.
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