Medien & Internet

Wieso wir Pornografie zum Thema machen sollten

Wenn Kinder und Jugendliche im Internet surfen, stossen sie früher oder später – gewollt oder ungewollt – auf pornografische Inhalte. Eltern können das kaum verhindern. Doch sie können ihnen dabei helfen, zwischen Pornografie und Sexualität zu unterscheiden.
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Früher oder später schauen alle Kinder mal einen Pornofilm auf dem Handy.

Es gehört zur Entwicklungsaufgabe von Jugendlichen, ihre Sexualität und ihren Körper kennenzulernen. In der Pubertät verändert sich der Körper, die Geschlechtsorgane entwickeln sich. Das ist irritierend und spannend zugleich. Auf der Suche nach Aufklärung stossen Heranwachsende im Internet auch auf pornografische Inhalte. Solche sind im Netz leicht zugänglich und oft kostenlos einsehbar. Landen Jugendliche nicht selbst auf zwielichtige Internet-Seiten, ist die Chance gross, dass sie früher oder später ungewollt pornografische Fotos oder Filme zugeschickt bekommen. 

Kinder und Jugendliche kommen früh mit Pornografie in Kontakt

Bereits 19 Prozent der 12-/13-Jährigen haben schon einmal Pornofilme auf dem Handy oder dem Computer angeschaut. Das zeigt die James-Studie 2022, welche den Medienumgang von Jugendlichen in der Schweiz abbildet. Bei den 14-/15-Jährigen sind es sogar 44 Prozent. 

In den Altersgruppen der 16-/17-Jährigen respektive der 18-/19-Jährigen hat schliesslich die Mehrheit der befragten Jugendlichen schon pornografische Filme gesehen. Allerdings gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. So haben Jungen deutlich häufiger Erfahrungen mit pornografischen Inhalten gemacht als Mädchen.

Definition Pornografie

Pornografie ist die Darstellung menschlicher Sexualität mit dem Ziel, jemanden damit zu erregen. Nackte Körper, Genitalien und sexuelle Handlungen werden in der Pornografie explizit dargestellt.

Gefahren der Pornografie

Pornografische Inhalte können Kinder und Jugendliche verstören und ihnen ein falsches Bild von Sexualität vermitteln. Frauen werden meistens als unterwürfige und stets willige Sexualpartnerinnen dargestellt, Männer als dauerpotent und dominant. Weil sie selbst noch wenig sexuelle Erfahrung haben, kann es sein, dass die Heranwachsenden Rollenbilder ungefiltert übernehmen. Sie lassen sich durch die sexuellen Darstellungen in Pornos unter Druck setzen.

Jungen können durch Pornografie den Eindruck erhalten, dass sie dieselbe Leistung erbringen oder ebenso muskulös und gut bestückt sein müssen wie die Darsteller in den Pornofilmen. Mädchen zweifeln möglicherweise an ihrem Körper, weil sie das Gefühl haben, wie die Porno-Darstellerinnen eine perfekte Figur haben zu müssen.

Trotz der Gefahren sollten Eltern und Bezugspersonen Pornografie nicht grundsätzlich verteufeln. 

Pornografie hat wenig mit der Realität zu tun

Eltern und Bezugspersonen sollten Kindern und Jugendlichen vermitteln, dass Pornografie nicht die Realität abbildet. Sexualität wird darin oft sehr einseitig dargestellt. Zu Sex gehört viel mehr, als in Mainstream-Pornografie suggeriert wird. Ausserdem werden die Filme so produziert, dass sie möglichst viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Kinder und Jugendliche müssen wissen, dass

  • … Pornografie Fiktion ist und die sexuellen Handlungen durch Menschen inszeniert werden. Pornofilme sind keine Erklärvideos für Sexualität.
  • … Pornodarstellerinnen und -darsteller sich häufig Schönheits-Operationen unterzogen haben oder Makel kaschieren respektive überschminken.
  •  … in Pornografie sexuelle Lust oft gespielt ist. Es werden Drogen sowie Medikamente genommen, um die Lust zu steigern oder eine Erektion zu verstärken.
  • … oftmals in die filmtechnische Trickkiste gegriffen wird: Szenen werden vorteilhaft zusammengeschnitten. Teilweise wird künstliches Sperma verwendet. 

Pornografie: Das sagt das Gesetz

Es ist verboten, Pornografie an unter 16-Jährige zugänglich zu machen. Auch wenn man selbst noch minderjährig ist, macht man sich strafbar, wenn man in Gruppenchats, in denen sich Kinder oder Jugendliche im Schutzalter befinden (unter 16 Jahren), Pornos postet. Ausnahme: Wenn sich zwei Menschen zwischen 16 und 18 Jahren einvernehmlich Bildmaterial von sich selbst senden, auch Sexting genannt, machen sie sich nicht strafbar. Unabhängig vom Alter ist es zudem verboten, illegale Pornografie zu besitzen, herzustellen oder zugänglich zu machen. Darunter fallen sexuelle Handlungen mit Minderjährigen oder Tieren sowie Darstellungen von Gewalt.

Stossen Sie auf solche Inhalte, können Sie dies der Meldestelle gegen Pädokriminalität im Netz melden.

Kritische Auseinandersetzung mit Pornografie

Trotz der Gefahren von Pornografie sollten Eltern und Bezugspersonen diese nicht grundsätzlich verteufeln. Je nach persönlicher Entwicklung und Kontext können Pornofilme auf Jugendliche auch lustvoll wirken. Hingegen ist es angebracht, Jugendliche zu unterstützen, kritisch, reflektiert und selbstbestimmt mit Pornografie umzugehen. 

Neben der Mainstream-Pornografie entwickeln sich ausserdem zunehmend alternative Formen von Pornografie. Diese sind je nach Genre weiblicher, authentischer und vielfach auch ethischer und diverser. Allerdings sind solche Filme oft kostenpflichtig und dadurch für Jugendliche nicht niederschwellig genug erreichbar.  

Tipps für Eltern

  • Ruhe bewahren: Bleiben Sie gelassen, wenn Sie erfahren, dass Ihr Kind Pornografie gesehen hat. Dramatisieren und verurteilen Sie nicht.
  • Darüber sprechen: Fragen Sie nach, was die Pornografie ausgelöst hat. Manche Kinder und Jugendliche ekeln sich, andere sind fasziniert. Möglicherweise tauchen auch Irritationen oder Fragen zu den Themen Körper und Sex auf.
  • Hinterfragen: Sprechen Sie mit Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn darüber, dass Pornografie wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat. Thematisieren Sie die Tricks der Filmemacher.
  • Aufklären: Helfen Sie den Jugendlichen, Sexualität zu verstehen. Am besten schon bevor sie auf Pornografie stossen. Empfehlen Sie altersgerechte Bücher oder Websites wie 147.ch oder lilli.ch.
  • Schützen: Aktivieren Sie Jugendschutzprogramme und Pop-up-Blocker. Seien Sie sich aber bewusst, dass solche im Netz keinen vollständigen Schutz bieten.
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