Mobbing am Arbeitsplatz – was Lernende tun können
Nachdem Luisa (Mitwirkende aus dem Youth Advisory Board von Pro Juventute, Name geändert) im zweiten Lehrjahr ein neuer Arbeitsplatz zugewiesen wurde, hörte sie fast täglich fiese Sprüche von einem Arbeitskollegen. Sie könne nichts und sei zu jung für die Aufgaben. Die Sprüche trafen sie. Sie zweifelte daran, die Arbeit gutzumachen, auch wenn sie grundsätzlich gute Leistungen erbrachte. Manchmal fiel es ihr schwer, am Morgen die Motivation zu finden, um zur Arbeit zu gehen.
Mobbing am Arbeitsplatz hat für alle betroffenen Mitarbeitenden negative Auswirkungen. In einem Abhängigkeitsverhältnis wie der Lehre können sich diese zusätzlich verstärken. Mobbinghandlungen lösen Unsicherheit und Angst aus. Das führt zu Fehlern am Arbeitsplatz oder sich häufenden Absenzen. Beides liefert den mobbenden Personen wiederum neuen Nährboden fürs Fertigmachen. Mögliche gesundheitliche Auswirkungen von Mobbing können Schlafprobleme, Kopfschmerzen, Magenbeschwerden, selbstverletzendes Verhalten oder Suizidgedanken sein.
Was ist Mobbing?
Vorsicht: Mitunter werden Streit, Antipathie oder alltägliche Konflikte vorschnell als Mobbing bezeichnet. Bei einem Konflikt geht es um eine Auseinandersetzung – um eine Sache oder eine Meinungsverschiedenheit. Davon hebt sich Mobbing durch folgende drei Merkmale ab:
- Unter Mobbing wird eine wiederholte fiese Handlung verstanden.
- Bei Mobbing wird eine Person systematisch fertig gemacht.
- Mobbing findet über einen längeren Zeitraum statt.
Mögliche Formen von Mobbing sind unter anderem Hänseleien, Drohungen, Beschimpfungen, körperliche Gewalt, Belästigung, Blossstellen, Erpressung, Ausgrenzung, Rufschädigung oder andere abwertende Handlungen. Auch «Kaltstellen» durch das Vorenthalten von Informationen ist Mobbing. Mobbing entsteht oft fliessend. Ursprung ist oft ein Konflikt oder ein auf den ersten Blick harmloser Spass.
Schutz vor Mobbing am Arbeitsplatz
Arbeitgeber sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Persönlichkeit der Arbeitnehmenden am Arbeitsplatz zu schützen. Ein Bundesgerichtsentscheid besagt, dass Arbeitgeber ihre Pflichten verletzen, wenn sie keine Grundlagen für die Prävention und den Umgang mit Mobbing schaffen. Das Arbeitsgesetz schützt jugendliche Arbeitnehmende bis zu ihrem 18. Geburtstag mit zusätzlichen Vorschriften. Alle Lernenden haben Anspruch auf korrekte und rücksichtsvolle Behandlung durch Vorgesetzte, Mitarbeitende sowie Kundinnen und Kunden. Die physische und psychische Integrität ist zu wahren.
Betroffene brauchen Hilfe von Aussen
Gemobbte sprechen oft nicht über die Vorfälle. Viele sind unsicher, ob es Mobbing oder ein Konflikt ist und ob ein Vorfall genügend Brisanz hat, um ihn bei Arbeitskolleginnen und -kollegen, Vorgesetzten oder Berufsbildenden anzusprechen. Zudem fürchten sie, zusätzliche Schwierigkeiten zu bekommen, wenn sie darüber reden. Doch hört Mobbing in den seltensten Fällen von allein auf. Bei einem Verdacht auf Mobbing sind deshalb alle gefordert.
Bemerken Eltern, dass ihr Kind im Betrieb oder in der Schule gemobbt wird oder selbst mobbt, müssen sie einschreiten. Auch Kolleginnen und Kollegen von der Arbeit oder der Schule sollten reagieren, wenn ihnen eine solche Vermutung zu Ohren kommt. Am besten sucht man das Gespräch mit der gemobbten Person und zeigt Bereitschaft, das Problem anzugehen. Es sollten jedoch keine Massnahmen über sie hinweg getroffen werden. Damit würde man der oder dem Lernenden zusätzlich die Möglichkeit nehmen, mitzubestimmen, wie man das Mobbing angeht.
Auch Luisa traute sich erst nicht, die Mobbing-Situation anzusprechen. Dies, obwohl ihre Eltern dazu rieten, mit dem Praxisbildner zu sprechen. Sie wollte den Konflikt nicht zusätzlich schüren. Zudem wusste sie, dass sie sowieso bald die Abteilung wechseln wird, womit sie sich aus der belastenden Situation herausnehmen konnte.
Unabhängige Beratung
Ist das eigene Kind von Mobbing betroffen, ist das für Eltern eine schwierige Situation. Sie fühlen sich hilflos oder wütend, möchten helfen, aber wissen nicht wie. In solch einer Situation kann es befreiend sein, mit einer unabhängigen Person zu sprechen. Eltern dürfen sich jederzeit an die Elternberatung von Pro Juventute wenden. Die Lernenden erhalten bei der Beratung + Hilfe 147 niederschwellig Unterstützung.
Was tun bei Mobbing am Arbeitsplatz?
- Mobbing sollte auf keinen Fall hingenommen werden. Nach Hilfe zu fragen ist weder Petzen noch ein Zeichen von Schwäche. Es ist wichtig und nötig, Hilfe zu holen.
- Am besten hält man Mobbing schriftlich und mit Datum fest. Wer hat wann was gemacht? Welche Zeugen gibt es? Diese Belege können eine Grundlage für ein Gespräch sein. Falls es um mündliche Beleidigungen und Diskriminierungen geht, sollten diese möglichst als Zitat notiert werden. Auch feindselige E-Mails oder schriftliche Feedbacks können Beweise sein. Wichtig ist, sachlich zu bleiben.
- Bei Mobbing sollten sich Lernende möglichst bald an die Berufsbildenden oder direkten Vorgesetzten wenden. Sie dürfen auch eine Person ihres Vertrauens dafür beiziehen. Die meisten Berufsfachschulen haben ebenfalls eine Anlaufstelle für Konfliktlösung. Falls es zu keiner Einigung kommt, ist das kantonale Berufsinspektorat zu informieren. Dieses nimmt die Lehraufsicht wahr und kann den Kontakt zu Fachstellen herstellen.
- Ein Abteilungswechsel oder Lehrabbruch sollte die letzte Option darstellen, wenn keine Massnahmen fruchten oder die psychische Gesundheit beeinträchtigt ist.
Unterstützung durch die Eltern
Mobbing am Arbeitsplatz ist für gemobbte Personen sehr belastend. Viele leiden noch jahrelang darunter. Eltern können ihre Kinder für Herausforderungen wie Mobbing stärken, indem sie ihre Resilienz fördern. Zudem zeigen Studien, dass Jugendliche besser mit den Konsequenzen von Mobbing klarkommen, wenn sie wissen, dass die Eltern sie unterstützen und Anteil nehmen. Auch ein gutes Verhältnis zu Lehrpersonen oder weiteren Bezugspersonen wirkt sich positiv aus.
Luisa hat das Gespräch mit ihren Eltern gesucht. Sie hat mit ihnen viel über die belastende Situation gesprochen. Das hat ihr geholfen, die verletzenden Kommentare des Arbeitskollegen auszublenden und sie möglichst nicht persönlich zu nehmen. Schliesslich traute sie sich sogar, dem Kollegen zu sagen, dass seine Bemerkungen nicht in Ordnung sind.
Rückblickend habe die schwierige Zeit sie gestärkt: «Ich habe gelernt, auf meine Fähigkeiten zu vertrauen.» Jetzt im dritten Lehrjahr fühlt sie sich wieder wohl am Arbeitsplatz. Anderen Lernenden in einer ähnlichen Situation wünscht sie, dass sie trotz Mobbing an ihren Träumen festhalten und ihr Wohlbefinden schützen können. Denn schliesslich seien Lernende da, um zu lernen.