Medienkompetenz: Jugendliche besser schützen – aber auch befähigen

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Junge mit Tablet. Pro Juventute setzt sich für den Jugendmedienschutz ein.
  • Pro Juventute verfügt über viel Fachwissen und Erfahrung im Bereich Medienschutz und Medienkompetenz und setzt sich für die Stärkung der Prävention ein. Prävention muss im Rahmen des Jugendmedienschutzes auch gesetzlich geregelt werden.
  • Kinder und Jugendliche müssen den respektvollen, selbstbestimmten, aber kritischen Umgang mit Medien lernen. Pro Juventute macht sich stark für einen Ausbau des nationalen Programms zur Förderung von Medienkompetenz.
  • Pro Juventute begrüsst die Ko-Regulierung der Film- und Videospielbranche. Wenn es um Jugendschutzanliegen geht, müssen Kinder- und Jugendorganisationen zwingend einbezogen werden, etwa in einem Beirat, der die Film- und Videospielebranche fachlich begleitet.
  • Eine zentrale Rolle spielt die geplante Anlaufstelle für den Jugendschutz, die Beanstandungen und Anfragen bzgl. Filme und Videospiele bearbeiten soll. Pro Juventute fordert, diese Anlaufstelle mit einem Auftrag zur Förderung der Medienkompetenz zu ergänzen.

Digitale Medien sind ein fester Bestandteil im Alltag von Kindern und Jugendlichen. Sie ermöglichen soziale Kontakte und vermitteln Fähigkeiten, die in der Schule oder später am Arbeitsplatz wichtig sind. Besonders deutlich machte dies die Corona-Pandemie 2020: Dank der digitalen Medien ist es gelungen, den Schulunterricht ohne Präsenz aufrechtzuerhalten und Beziehungen und Freundschaften weiter zu pflegen. Schlagzeilen machen aber auch die Schattenseiten digitaler Medien: Grooming, Onlinesucht und Cybermobbing mit seinen Folgen bis hin zu Suizid. Die Kriminalstatistik 2019 zeigt, dass die Zahl der Anzeigen von 10- bis 14-Jährigen wegen Sexualstraftaten deutlich zugenommen haben. Sie liegt höher als in allen anderen Altersgruppen1. Dabei spielt fast in jedem dritten Fall selbsterstelltes pornographisches Material eine Rolle. Einerseits gehört es zur Entwicklung der Kinder- und Jugendlichen dazu, im Internet auch Inhalte zu konsumieren, die nicht unbedingt für ihr Alter bestimmt sind. Andererseits stehen Erwachsene in der Verantwortung, die Kinder zu schützen. Dazu gehören die gesetzliche Verankerung des Kinder- und Jugendmedienschutz sowie der gezielte Ausbau von Präventionsmassnahmen. Pro Juventute setzt sich seit mehr als zehn Jahren, unter anderem mit einem eigenen Programm, für medienpädagogische Prävention ein. Entsprechend gross sind Expertise und Erfahrung. Das Ziel: Die Medienkompetenz der Kinder und Jugendlichen stärken.

Wirksamer Jugendschutz setzt auf Regulierung und Medienkompetenz

Der Jugendmedienschutz ist in der Schweiz stark fragmentiert, der Schutz von Minderjährigen vor unangemessenen Inhalten nicht gewährleistet. Es gibt zwar Brancheninitiativen, die Jugendschutzmassnahmen festlegen (z.B. die Pegi-Richtlinien für Videospiele), diese sind jedoch nicht für alle Marktteilnehmenden verbindlich. Entsprechend gross sind auch die Vollzugsprobleme. Schwierigkeiten ergeben sich aus der Tatsache, dass wir es hier mit globalen Mechanismen und einem internationalen Markt zu tun haben. Das Ergebnis sind gravierende Regulierungslücken im Bereich des Jugendschutzes. Diese Lücken will der Bundesrat mit einem Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiel schliessen. Pro Juventute unterstützt die Stossrichtung der Vorlage, weist aber darauf hin, dass gesetzliche Grundlagen allein noch keinen umfassenden Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet garantieren. Was dringend nötig ist, ist die Förderung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Pro Juventute setzt sich deshalb für einen Ausbau des nationalen Programms zur Förderung von Medienkompetenz ein und verlangt genügend finanzielle Mittel, damit präventive Angebote entwickelt und eingesetzt werden können. Wirkungsvoller Jugendschutz braucht beides: Regulatorische Massnahmen durch den Gesetzgeber und solide Medienkompetenz der Kinder und Jugendlichen.

Kinder- und Jugendorganisationen müssen mitreden

Der Bundesrat setzt beim Jugendschutz im Bereich Film und Videospiele auf die Selbstregulierung der Branche. Damit setzt er auf die Übernahme von mehr Verantwortung durch die Film- und Videospielbranche. Das ist nicht grundsätzlich falsch, Pro Juventute begrüsst diese Initiative. Sie darf aber nicht dazu führen, dass die vereinbarten Regelungen zu einseitig die Interessen der Branche abbilden. Es ist deshalb zwingend, dass die Expertise der Kinder- und Jugendorganisationen und die Sicht der Kinder und Jugendlichen selbst eingebunden werden. Der Einbezug von Vertreterinnen und Vertretern dieser Organisationen beispielsweise in Form eines fachlichen Beirats unterstützt den erfolgreichen Vollzug und trägt dazu bei, die Glaubwürdigkeit und die Wirksamkeit implementierter Jugendschutzregeln zu verbessern. In jedem Fall strenger zu handhaben sind die bis heute nicht regulierten so genannten Mikrotransaktionen bei Videospielen («in-Game-Käufe»), die je nach Ausgestaltung mit Glücksspiel gleichzusetzen und mit erheblichen Risiken für Kinder und Jugendliche verbunden sind.

Anlaufstelle für Jugendmedienschutz braucht mehr Kompetenzen

Die geplante Anlaufstelle für Beanstandungen und Anfragen in Bezug auf den Jugendschutz bei Filmen und Videospielen spielt eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, einen wirkungsvollen Jugendmedienschutz zu etablieren. Aus Sicht der Prävention und für die Förderung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen ist es jedoch angezeigt, dass die Anlaufstelle nicht nur Beanstandungen und Anfragen zum Jugendschutz behandeln kann, sondern bei Bedarf auch Stellung nimmt und Auskunft erteilt zu Fragen rund um die Vermittlung und Förderung von Medienkompetenz. Die Konzeption der Anlaufstelle ist um einen entsprechenden Förderauftrag zu erweitern. Auch hier macht der Einbezug von Organisationen Sinn, die bereits über die nötigen Strukturen und Angebote verfügen und die entsprechende Expertise mitbringen, und zwar sowohl bei der Konzeption der Anlaufstelle wie auch bei der praktischen Umsetzung, konkret bei der Beantwortung von Fragen oder beim Vollzug von Fördermassnahmen.

Es gibt gute Gründe, Cybermobbing unter Strafe zu stellen

Es sind verschiedene politische Diskussionen darüber im Gang, ob Cybermobbing als Straftatbestand explizit im Strafgesetz aufgenommen werden soll. Rechtlich ist die Sache klar: Wesentliche Elemente von Cybermobbing sind bereits heute strafbar, etwa der Missbrauch von personenbezogenen Daten, Ehrverletzung, Bedrohung, Nötigung, Pornografie oder Gewaltdarstellung. Die ausdrückliche Schaffung eines Straftatbestands Cybermobbing würde die Prävention aber massgeblich unterstützen, indem sie die Stellung der Opfer stärkt und den gezielten Ausbau von Angeboten ermöglicht. Die klare Benennung als Straftatbestand hat auch aufklärende und sensibilisierende Wirkung und verschafft dem Anliegen insgesamt mehr Aufmerksamkeit. Bei der Frage hingegen, inwiefern ein solcher Straftatbestand auch abschreckende Wirkung hätte, ist sich die Fachwelt nicht einig. Mit dem Ziel, insbesondere die Prävention zu stärken, stellt sich Pro Juventute deshalb grundsätzlich hinter die Forderung, das Strafgesetz um einen Straftatbestand Cybermobbing zu erweitern, weist aber darauf hin, dass die abschreckende Wirkung umstritten und entsprechend weitere Forschung nötig ist.


1Kriminalstatistik 2019, Bericht Sonntagszeitung vom 12. April 2020.

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