Für eine umfassende Suizid- und Gewaltprävention: Erstanlaufstellen stärken

Die Motion 21.3264 von Nationalrat Christophe Clivaz beauftragt den Bundesrat, die dauerhafte Finanzierung von Verbänden und Organisationen von gesamtschweizerischer Bedeutung sicherzustellen, die in den Bereichen der psychischen Gesundheit und der Suizid- und Gewaltprävention tätig sind. Erfahren Sie, weshalb diese Forderung notwendig ist.
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Suizid- und Gewaltprävention stärken

In Zeiten zunehmender psychischer Belastungen ist Suizid- und Gewaltprävention wichtiger denn je – gerade bei Kindern und Jugendlichen. Die Beratungsanfragen bei Anlaufstellen wie dem 147 von Pro Juventute kennen nur eine Richtung: Steil nach oben.

Eine Umsetzung der Motion 21.3264 würde es Pro Juventute und anderen Organisationen ermöglichen, die bestehenden Strukturen zu sichern und den nötigen Spielraum für Erweiterungen zu schaffen, um den steigenden Unterstützungsbedarf in der Bevölkerung zu decken.

Der Nationalrat hat der Motion am 1. März 2023 bereits zugestimmt. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats (SGK-S) hat darauf am 29. Oktober 2024 die Motion ohne Gegenstimme zur Annahme empfohlen. Sie wird am 11. Dezember in der Wintersession im Ständerat behandelt.

Pro Juventute appelliert an den Ständerat, nun ebenfalls Verantwortung zu übernehmen und mit der Annahme der Motion Clivaz einen Beitrag zur psychischen Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in der Schweiz zu leisten.

Kapazitäten am Anschlag

Die psychische Gesundheit der Bevölkerung hat sich seit der Covid-19-Pandemie stark verschlechtert. Die Altersgruppe der jungen Erwachsenen ist davon besonders betroffen. Dies zeigt sich auch in den Beratungszahlen der Pro Juventute. Der Beratungsaufwand in Stunden beim 147 hat 2023 im Vergleich zu 2019 um über 70 Prozent zugenommen und steigt auch im ersten Halbjahr 2024 auf hohem Niveau weiter an. Im Jahr 2023 wendeten sich täglich 9 Kinder und Jugendliche wegen Suizidgedanken ans 147 – 2019 waren es noch 3 bis 4 pro Tag. Im ersten Halbjahr 2024 mussten die Beratenden 101-mal eine Blaulichtorganisation aufbieten, weil sich ein junger Mensch etwas antun wollte. Im Jahr 2020 waren es im selben Zeitraum noch 42 solcher Kriseninterventionen.

Niederschwellige Erstanlaufstellen retten Leben und senken Gesundheitskosten

Insgesamt wurden in der Schweiz im Jahr 2022 14’137 Hospitalisierungen aufgrund eines vermuteten Suizidversuchs verzeichnet.1 Das entspricht einer Hospitalisierung alle 37 Minuten. Entsprechend hoch ist die Notwendigkeit, dass betroffene Kinder, Jugendliche und Erwachsene rasch niederschwellig, kostenlos, vertraulich und rund um die Uhr Unterstützung erhalten, bevor sie in ihrer Verzweiflung ihre Suizidgedanken in die Tat umsetzen. Niederschwellige Angebote wie jene von Pro Juventute, Pro Mente Sana und der Dargebotenen Hand sind von unverzichtbarem Wert, da sie eine wichtige Lücke im Versorgungssystem füllen und nachgelagerte Angebote nachweislich entlasten. Gleichzeitig senkt Präventionsarbeit mittelfristig die Gesundheitskosten, indem verhindert wird, dass Menschen chronisch krank werden, aus dem Erwerbsleben ausscheiden und auf die IV angewiesen sind. Der Anteil der psychischen Krankheiten als Invaliditätsursache für krankheitsbedingte Neurenten belief sich im Jahr 2022 auf 54.3 Prozent.2  

Fehlende Finanzierung gefährdet Menschenleben

Trotz des steigenden Bedarfs sind niederschwellige Erstanlaufstellen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit der Menschen wie jene von Pro Juventute, Pro Mente Sana oder der Dargebotenen Hand finanziell nicht nachhaltig gesichert. Diese Organisationen sind grösstenteils vom volatilen Spendenmarkt abhängig. Die Folge davon: Die vorhandenen Beratungsstellen können die steigenden Anrufe von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Not nicht mehr in jedem Fall entgegennehmen. Die Erreichbarkeit unserer Angebote ist zunehmend gefährdet. Das setzt Menschenleben aufs Spiel.

Suizidprävention betrifft alle Staatsebenen

Es ist wichtig, dass alle Staatsebenen und die Gesellschaft gemeinsam einen Effort leisten, um Suizide zu verhindern. Angesichts der hohen Relevanz und volkswirtschaftlichen Bedeutung der psychischen Gesundheit ist es notwendig, dass sich nebst den Kantonen auch der Bund angemessen an der Finanzierung von entsprechenden Angeboten beteiligt. Das Zurverfügungstellen eines Notrufangebots für Kinder und Jugendliche ist eine Verpflichtung, die sich aus der UNO-Kinderrechtskonvention ableitet, welche auch die Schweiz ratifiziert hat. Der UNO-Kinderrechtssausschuss hat dem Bund bereits mehrfach empfohlen, die Suizidprävention zu verstärken.3 Ein langfristigeres finanzielles Engagement der öffentlichen Hand würde es Pro Juventute und anderen Organisationen ermöglichen, die bestehenden Strukturen zu sichern und den nötigen Spielraum für Erweiterungen zu schaffen, um den steigenden Unterstützungsbedarf in der Bevölkerung zu decken.


1 Suizidales Erleben und Verhalten - Obsan: obsan_bulletin_82024_suizidales-erleben-und-verhalten-d.pdf. 
2 IV Neurenten aufgrund Krankheit – BAG: https://ind.obsan.admin.ch/indicator/monam/iv-neurenten-aufgrund-krankheit-alter-18-rentenalter
3Schlussbemerkungen zum fünften und sechsten Staatenbericht der Schweiz – UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes: https://www.ohchr.org/en/documents/concluding-observations/crcccheco5-6-concluding-observations-combined-fifth-and-sixth

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