Schule & Ausbildung

Wie unterstütze ich mein Kind in der Berufslehre?

Ihre Tochter oder Ihr Sohn haben kürzlich eine Berufslehre begonnen oder haben eine solche in Aussicht. Der Übergang ins Berufsleben ist ein Meilenstein im Leben jedes Jugendlichen. Innert kurzer Zeit verändert sich Vieles. Der Eintritt in die Erwachsenenwelt birgt Entwicklungschancen und Stolpersteine, die sich auch auf das Familienleben auswirken. So können Eltern ihre Kinder unterstützen und sinnvoll begleiten, damit diese ihre Ausbildung erfolgreich abschliessen.
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Vater und Sohne diskutieren über die Berufslehre, ein neuer Lebensabschnitt.

Die Sorgen bei der Suche nach einer Lehrstelle sind weg und der «Ernst des Lebens» kann mit der Berufslehre beginnen. Dieser neue Lebensabschnitt verunsichert viele Jugendliche, weil sie sich zwischen der behüteten Kindheit und der vernünftigen Erwachsenenwelt erst ihren Platz suchen müssen. Es ist deshalb wichtig, dass Eltern und Bezugspersonen verfügbar bleiben. Sie sollen deutlich machen, dass sie ein echtes Interesse für die Situation der oder des Heranwachsenden haben, aber gleichzeitig die nötige Distanz wahren. Die Balance zwischen Interesse und Kontrolle ist dabei weniger leicht zu finden als in der Volkschulzeit. Auch wenn eine weitmaschigere Begleitung angesagt ist, brauchen Jugendliche in der Lehre oft noch Unterstützung.

Die Lehre erfordert einen anderen Lebensstil

Die Berufslehre ist im Vergleich zum Gymnasium deutlich komplexer und für eine Jugendliche oder einen Jugendlichen mitten in der Entwicklung oft überfordernd. Sie sind nicht länger in einen Klassenverband eingebunden, müssen längere Anfahrtswege in Kauf nehmen, kommen mittags nicht mehr nach Hause, haben vielfältige und anspruchsvolle Aufgaben unter Zeitdruck zu erfüllen und Verantwortung in der Berufswelt zu übernehmen. Zudem ist die Arbeitswelt formaler. Vielen Jugendlichen ist noch nicht bewusst, dass ihr Auftreten fortan auch von Mitarbeitenden, Vorgesetzten und Kundinnen und Kunden beurteilt wird. Mit Vorteil richten sich die Lernenden in ihrem Erscheinungsbild nach der Betriebskultur. Gelten im Betrieb gewisse Kleidervorschriften, müssen sie sich daranhalten, was insbesondere für spätere Kundenkontakte gilt. Bei Unsicherheiten zahlt es sich aus, sich bei einer Person des Vertrauens zu erkundigen. Wichtig ist auch, dass die Lernenden ihre Sprache der Erwachsenenwelt anpassen und auf saloppe Ausdrücke verzichten. Sind es an der Volksschule meistens die Lehrpersonen, die Fragen stellen, ist es nun am Lernenden, sich interessiert zu zeigen, Neues zu entdecken und Gelerntes zu integrieren. Erlernt werden muss auch der Umgang mit selbst verdientem Geld. (siehe dazu: Artikel «Der Lehrlingslohn – einteilen will gelernt sein» und «Kostgeld: Wie viel soll ein Lehrling  zu Hause abgeben?»)

Stolpersteine

Die ersten Wochen in der Lehre sind entscheidend, weil es auch da eine Probezeit zu bestehen gilt. Diese wird im Lehrvertrag geregelt und kann von einem Monat bis drei Monate dauern. Bei Anfangsschwierigkeiten kann der Lehrbetrieb die Probezeit auf maximal sechs Monate verlängern, falls das Berufsbildungsamt einwilligt.

Gewöhnungsbedürftig ist auch, dass sich der Ferienanspruch auf fünf Wochen reduziert, die sich zudem nach der schulfreien Zeit richten müssen.

Neu ist auch, dass während der Arbeitszeit in der Regel keine privaten Mails bearbeitet, im Internet gesurft oder private Telefonanrufe erledigt werden dürfen. In vielen Betrieben gibt es zudem IT-Standards zu Datenschutz und Passwörtern.

Einschlägige Witze, sexistische Bemerkungen, Anspielungen zum Privatleben oder unnötige Berührungen müssen sich Jugendliche weder von Kolleginnen und Kollegen und schon gar nicht von Vorgesetzten gefallen lassen. Viele Betriebe bestimmen neutrale Ansprechpersonen, an die sich die Angestellten bei Diskriminierungen, Mobbing und sexueller Belästigung wenden können. Auch Beratung + Hilfe 147 steht Jugendlichen mit Problemen in der Lehre an 365 Tagen im Jahr und rund um die Uhr kostenlos zur Verfügung. Wichtig ist, Probleme frühzeitig anzusprechen und nicht zu warten.

Die Rolle von Eltern und Bezugspersonen

Die Eltern sind in der Verantwortung: Sie müssen laut Zivilrecht für den Unterhalt (Miete, Essen und andere notwendige Auslagen) der oder des Lernenden sorgen und sie oder ihn bis zum Abschluss der beruflichen Grundbildung unterstützen. Sie können aber verlangen, dass sie oder er einen Anteil daran vom Lehrlingslohn bezahlt (siehe dazu: Artikel «Kostgeld: Wie viel soll ein Lehrling  zu Hause abgeben?»). Lebt sie oder er nicht mit den Eltern zusammen, müssen die Eltern ihr oder ihm einen Unterhaltsbeitrag zusichern, bis sie oder er finanziell unabhängig ist.

Zudem hilft eine tragfähige Beziehung zum Jugendlichen über die Runden. Der Übertritt von der Schule ins Berufsleben alleine wäre schon herausfordernd genug. Da diese anspruchsvolle Zeit mitten in die Identitätsfindung fällt, wird dieser Zeitabschnitt von allen Beteiligten als besonders intensiv empfunden. Eltern bleiben deshalb wichtige Bezugspersonen. Für sie liegt die Herausforderung darin, immer mehr Verantwortung zu übertragen und trotzdem bei Problemen Unterstützung zu bieten. Sie sind nun weniger Erzieherin oder Erzieher als vielmehr Coach und behandeln ihre Kinder wie «Gäste, die nach dem Weg fragen», wie es die tschechische Psychologin Jirina Prekop umschreibt.:

Darauf ist zu achten

  • Lernende erleben grössere Herausforderungen als in der Schulzeit und befürchten eher, etwas falsch zu machen, weshalb ihnen eine wohlwollende Unterstützung gut tut.
  • In einer guten Beziehung müssen Eltern und Kinder gleichwertig sein, was nicht automatisch heisst, dass Erwachsene zuhause ihre Führung abgeben sollten.
  • Eltern sollen sich nicht dauernd nach dem Befinden des Jugendlichen erkundigen, um sich zu selbst beruhigen. Viel wichtiger ist ein guter Austausch im Gespräch, für den die oder der Jugendliche den Zeitpunkt mit Vorteil selber bestimmt.
  • Ungereimtes, Paradoxes und Konflikthaftes gehören zur Entwicklung. Perfektionistische Eltern reduzieren ihr Kind auf eine Funktion in ihrem eigenen Leben. Lassen Sie Ihr Kind eigene Erfahrungen machen.
  • Nichterledigtes oder Aufgeschobenes hat in der Lehre grössere Konsequenzen. Vorausplanung ist deshalb unerlässlich: Jugendliche profitieren von Instrumenten wie Agenda, Pendenzenliste und Remindern.
  • Verspätungen, Absenzen und Dispensationen werden in der Lehre strenger gehandhabt als an der Volksschule. Sie müssen entschuldigt, resp. beantragt und begründet werden.
  • Bei schwerwiegenden Problemen, Gefährdung des Ausbildungserfolges oder dem Verdacht einer regelwidrigen Ausbildung kann das Berufsinspektorat beigezogen werden.
  • Bei gefährlichen Arbeiten muss der Lehrbetrieb Schutzmassnahmen ergreifen und über Vorschriften informieren. Schutzkleidung wird in der Regel vom Betrieb bezahlt.
  • Wenn der Konsum von Rauschmitteln zu Schwierigkeiten führt, darf der Lehrbetrieb keine Tests zum Nachweis durchführen. Drogentests sind nur erlaubt, wenn ein Sicherheitsrisiko für den Lernenden oder andere Angestellte besteht.

Weiterentwicklungschancen nach der Lehre

Viele Eltern machen sich Sorgen, aus ihren Kindern könnte nichts Rechtes werden und sie könnten im Leistungswettbewerb nicht bestehen. Die duale Grundbildung gilt allgemein als ein Vorzeigeweg für junge Menschen, die eine berufs- und praxisnahe Qualifizierung für den Arbeitsmarkt suchen. Gerade schulmüde Jugendliche sind in einer Berufslehre besser aufgehoben als an weiterführenden Schulen. Zudem ermöglicht das Berufsbildungssystem aufgrund seiner Durchlässigkeit eine Vielzahl an Aufstiegsmöglichkeiten. Unabhängig davon, welche Lehre Ihr Kind absolviert – die Entwicklungsmöglichkeiten sind mannigfaltig. So kann eine Berufslehre über die Berufsmatura an die Fachhochschulen sowie über eine Passerelle an die Universität führen. Noch weniger bekannt ist die höhere Berufsbildung (Berufsprüfung, höhere Fachprüfung, höhere Fachschule), die auch ohne Berufsmatura einen Tertiärabschluss ermöglicht.

Hilfreiche Links

Pro Juventute Elternberatung
Ratgeber «Ich kenne meine Rechte» der Gewerkschaftsjugend

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