Familie & Gesellschaft

Kinder zu Wort kommen lassen

Kinder sollen geschützt und gefördert werden und in einer kindgerechten Umgebung aufwachsen. Zugleich haben Kinder das Recht, ihre Meinung frei zu äussern und angehört zu werden. Doch wie sieht es mit der Umsetzung der Kinderrechte in der Schweiz wirklich aus?
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Kinder haben Rechte. Am 20. November ist Tag des Kindes.

Kinder sollen ihre Bedürfnisse formulieren, angehört werden und mitbestimmen dürfen. Es geht darum zu klären, wie oder in welcher Form Kinder einbezogen werden. Wie viel Mitbestimmung steht Kindern in der Familie zu? Wie gross muss das Mitspracherecht in der Schule sein? Wie stark sollen Kinder mitplanen dürfen, wenn es um die Gestaltung von Spiel- und Pausenplätzen geht?

Kinder als Persönlichkeit wahrnehmen

In den letzten hundert Jahren hat sich das Kindsein in der Schweiz grundlegend gewandelt. Früher wurden Kinder als Eigentum der Eltern betrachtet. Erst im 20. Jahrhundert begann sich das Bewusstsein durchzusetzen, dass Kinder besonderen Schutz benötigen. Inzwischen werden ihnen eigene Rechte zugestanden und ihr Wohl in den Vordergrund gestellt. 1997 hat auch die Schweiz die UNO-Kinderrechtskonvention unterschrieben und sich verpflichtet, die Umsetzung zu garantieren.

Aufgabe der Eltern ist es, dafür zu sorgen, dass es ihrem Kind gut geht, seine Bedürfnisse gedeckt sind, es gesund bleibt, sich altersentsprechend entwickelt, in die Schule gehen und lernen kann, spielen und mit anderen Kindern zusammen sein darf. Auch das Recht der Kinder, ihre Meinung äussern zu dürfen und angehört zu werden, ist in den Kinderrechten verbrieft. Das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung sowie der Schutz vor sexueller Ausbeutung sind Forderungen, die allen Kindern zustehen und selbstverständlich sein sollten. Doch die meisten Kinder kennen die Kinderrechte gar nicht. Wichtig wäre, dass sie über ihre Rechte Bescheid wissen und ihnen bewusst ist, dass Erwachsene diese Rechte einhalten müssen. Wie wird Partizipation (Mitsprache) im Alltag gelebt und können Kinder und Jugendliche in der Familie, Schule oder bei der Gestaltung ihrer Freiräume wirklich mitreden? Oder anders gefragt: Wie viel Mitbestimmung gestehen wir Kindern in der Schweiz heute zu?

Mehr Mitbestimmung bei Alltagsthemen 

«Erwachsene und Kinder haben eine unterschiedliche Auffassung davon, was Partizipation heisst», schreibt UNICEF im November 2014 in der Auswertung der Studie Partizipation von Kindern und Jugendlichen in der Schweiz. Von 2012 bis 2014 untersuchte die Studie «Von der Stimme zur Wirkung» Veränderungen der letzten zehn Jahre. Im Vergleich zu früher schätzen Kinder und Jugendliche innerhalb der Familie, die Möglichkeit zur Mitwirkung als grösser ein. Vor allem bei individuellen Fragen wie Freundschaften oder Schlafenszeiten ist das Mitbestimmungsrecht relativ hoch. Hingegen wird bei Themen, welche die gesamte Familie betreffen, beispielsweise die Wahl des Ferienziels, der Entscheid für oder gegen ein Haustier, weniger Mitbestimmungsrecht gewährt. Bestätigt hat sich auch die naheliegende Tatsache, dass autoritär erzogene Kinder sich als weniger mitbestimmend erleben als Kinder, die liberaler erzogen werden.

Aus Sicht der Kinder bleibt in der Schule wenig Spielraum zum Mitgestalten. Partizipation beschränkt sich auf schulische Projekte, was gemäss Studie von den Kindern als zu einseitig empfunden wird. Schülerinnen und Schüler sind der Ansicht, dass Entscheidungen mehrheitlich von Erwachsenen gefällt werden. Um Kinder richtig einzubinden, besteht noch Verbesserungspotenzial. In Zusammenhang mit Freiräumen befasst sich Pro Juventute ebenfalls intensiv mit dem Thema Partizipation. Vor Jahren setzte die Stiftung mit den Robinson Spielplätzen einen neuen Trend. Nicht nur die Spielplätze auch das Thema sind nach wie vor aktuell.

Engagement für die Rechte der Kinder

Obwohl die UN-Kinderrechtskonvention auch in der Schweiz gilt, besteht bei der Umsetzung Handlungsbedarf (siehe Bilanz des Netzwerks Kinderrechte Schweiz). Beispielsweise ist in der Schweiz die Körperstrafe in der Familie nach wie vor nicht explizit verboten. Ob Kinder mit Behinderungen Zugang zu Bildungsangeboten in öffentlichen Schulen haben, wird unterschiedlich geregelt. 

Auch Pro Juventute engagiert sich für die Rechte der Kinder. Mit Projekten und ihrem politischen Engagement trägt die Stiftung dazu bei, dass die Mitsprache der Kinder umgesetzt und die politische Bildung gefördert werden. Zudem steht Pro Juventute Kindern, Jugendlichen und ihren erwachsenen Bezugspersonen mit niederschwelligen Beratungsangeboten zur Verfügung, vermittelt Medienkompetenz und engagiert sich im Übergangsbereich von der Schule zum Beruf, etwa mit Bewerbungstrainings

 

Tipps für Eltern

  • Interessieren Sie sich für die Kinderrechte und sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind seine Rechte kennt und seine Bedürfnisse formulieren lernt. Hier finden Sie einen Überblick über die wichtigsten Kinderrechte, ein E-Book, um die Kinderrechte in den Alltag zu übersetzen und ein Kinderrechtsspiel.
  • Machen Sie sich Gedanken darüber, wie viel Mitbestimmung Sie Ihrem Kind in der Familie zugestehen möchten.
  • Engagieren Sie sich in Elternvereinigungen, damit Sie mitgestalten können, wie das Mitspracherecht in der Schule aussehen soll.
  • Nehmen Sie auch Stellung zu gesellschaftlichen Fragen die Kinder betreffen. Zum Beispiel: Wie stark sollen Kinder mitplanen dürfen, wenn es um die Gestaltung von Spiel- und Pausenplätzen geht? Tragen Sie so dazu bei, dass die Anliegen der Kinder in der Gesellschaft bekannt sind und auf politischer Ebene Gehör finden.
     
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