Entwicklung und Gesundheit

Pro Juventute Stress-Studie: Rund ein Drittel der Kinder und Jugendlichen ist gestresst

Ein Drittel der Kinder und Jugendlichen in der Schweiz stehen unter hohem Stress. Die gestressten Kinder und Jugendlichen sind deutlich ängstlicher und unsicherer als die nicht unter Stress stehenden Gleichaltrigen und ihr subjektives Wohlbefinden ist geringer. Die Pro Juventute Stress-Studie gibt Aufschluss über die Ursachen und die Auswirkungen von Stress auf Kinder und Jugendliche.
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Studie Stress bei Kindern und Jugendlichen

Wie verbreitet ist Stress bei Kindern und Jugendlichen in der Schweiz? Was sind die Ursachen und Auswirkungen von Stress? Welche Rolle haben die Eltern und die Schulen auf den erlebten Stress der Kinder? Auf diese Fragen versucht Pro Juventute mit der Stress-Studie Antworten zu geben.

Die wichtigsten Erkenntnisse der Pro Juventute Stress-Studie

Stress hat starke Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Kinder

  • Ein Drittel der Kinder und Jugendlichen stehen unter hohem Stress. Mit steigendem Alter nimmt auch der Stress zu. Zudem sind junge Frauen deutlich gestresster als junge Männer; das gilt noch ausgeprägter für Schülerinnen und Schüler aus der Romandie und vor allem dem Tessin im Vergleich mit den Schülerinnen und Schüler der deutschen Schweiz. 
  • Kinder und Jugendliche mit erhöhten Stresswerten weisen eine erhöhte Ängstlichkeit sowie ein geringeres allgemeines Wohlbefinden und ein schlechteres Selbstkonzept auf als Kinder und Jugendliche mit geringen Stresswerten. Und sie bewerten ihre sozialen Beziehungen auf unterschiedlichen Ebenen deutlich schlechter als die anderen Kinder und Jugendlichen.

Schulische Pflichten aber auch die Schulkultur haben deutlichen Einfluss

  • Prüfungen und Hausaufgaben, aber auch der Vergleich mit den anderen und Zukunftsängste, Mobbing sowie Streit in der Klasse sind schulische Faktoren, die den Stress der Kinder und Jugendlichen messbar erhöhen.
  • Die Schulkultur steht in engem Zusammenhang mit dem Stress der Schülerinnen und Schüler. Schülerinnen und Schüler in Schulklassen, von denen die Lehrpersonen ein abwertendes Bild haben, zeigen deutlich höhere Stresswerte auf als die anderen Schülerinnen und Schüler.

Zeit mit Freundinnen und Freunden und Mitbestimmung zuhause reduziert Stress

  • Kinder und Jugendliche die mehr Zeit mit Freundinnen und Freunden, Hobbys oder in Vereinen verbringen, haben geringere Stresswerte und das Gefühl, sich erholen zu können. 
  • Kinder und Jugendliche mit hohem Stress verbringen mehr Zeit mit Hausaufgaben oder Arbeit, um Geld zu verdienen. Gleichzeitig verbringen sie häufiger Zeit mit elektronischen Medien und langweilen sich häufiger als die anderen.
  • Kinder und Jugendliche mit hohen Stresslevels haben eine schlechtere Beziehung zu den Eltern und Stress aufgrund von Streit mit ihren Eltern. Andrerseits stufen Kinder und Jugendliche mit weniger Stress das ihnen von den Eltern entgegengebrachte Interesse und vor allem die Möglichkeit für mehr Mitbestimmung zuhause höher ein.

In der Pro Juventute Stress-Studie wurden nebst den Kindern auch deren Eltern und Lehrpersonen befragt und die Antworten miteinander verbunden. Das führte zu einem umfassendes Bild von den Ursachen und Auswirkungen des Stresserlebnisses bei Kindern und Jugendlichen. Zudem wurden die Schülerinnen und Schüler zu verschiedensten Dimensionen befragt, welche mit Stress in Verbindung stehen können. 

Die Studienergebnisse zeigen, dass Stress weit verbreitet ist bei Kindern und Jugendlichen - und dies bereits im jungen Alter. Bei einem von vier Kindern unter 11 Jahren konnte hoher Stress festgestellt werden, bei den 14-jährigen und älteren Kindern waren es sogar 45%, die unter hohem Stress stehen. Besonders betroffen sind junge Frauen. 

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Stress-Studie Grafik: Anteil Kinder und Jugendliche mit hohem Stress.

 

Tritt Stress verstärkt auf, geht er auf Kosten der psychischen Gesundheit. Im Vergleich mit den anderen befragten Gleichaltrigen sind Kinder und Jugendliche mit hohem Stressniveau deutlich stärker durch Ängstlichkeit und Unsicherheit, ein geringes subjektives Wohlbefinden sowie eine geringe Selbstwirksamkeits-Wahrnehmung belastet. 

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Stress-Studie Grafik: Auswirkung Stress.

 

Je mehr die Kinder und Jugendlichen Zeit haben zur Erholung, zum Treffen mit Freundinnen und Freunden sowie für Hobbies wie Sporttrainings oder Musiküben, desto weniger sind sie gestresst. Gleichzeitig ist der Stress höher, je mehr Zeit sie für Hausaufgaben und Lernen aufwenden und Zeit am Smartphone, Fernseher oder beim Gamen verbringen. Bemerkenswert ist, dass das Stressgefühl deutlich höher ist, je häufiger sich die Kinder und Jugendlichen langweilen. 

Im Vergleich zu den anderen befragten Altersgenossen konstatierten die Kinder und Jugendlichen mit hohem Stressniveau, dass sie wenig zuhause mitbestimmen können und dass sich die Eltern wenig für sie interessieren. 

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Stress-Studie Grafik: Zusammenhang Familie und Stress.

 

Kinder und Jugendliche können sich von sehr unterschiedlichen Faktoren im schulischen Kontext gestresst fühlen. Darunter befindet sich eine Reihe von leistungsbezogenen Faktoren wie Prüfungen und Hausaufgaben. Auch die Belastungen durch Streit in der Klasse, Mobbing und durch Vergleiche mit Gleichaltrigen korrelieren mit hohem Stress. Zudem belasten Zukunftsängste die Kinder und Jugendlichen mit hohem Stress. 

Doch auch die Schulen und Lehrerpersonen haben eine Auswirkung auf die Stresswahrnehmung. Nebst der Schulkultur steht das Bild, welches die Lehrerinnen und Lehrer von der Schulklasse hat in einem deutlichen Zusammenhang mit dem Stress der Kinder und Jugendlichen. Je abwertender das Bild ist, welches die Lehrperson von der betreffenden Schulklasse hat (dazu gehören Aussagen wie «Die Schülerinnen und Schüler strengen sich nicht genügend an» oder «Die Schülerinnen und Schüler sind faul und wehleidig»), desto mehr sind die Schülerinnen und Schüler dieser Klasse gestresst.

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Stress-Studie Grafik: Auswirkung Schüler*innen-Bild der Lehrperson auf Stress.

 

Den ausführlichen Bericht der Pro Juventute Stress-Studie können Sie kostenlos als PDF herunterladen: Pro Juventute Stress-Studie


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Pro Juventute Stress-Studie

An der Erhebung haben 1'056 Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 15 Jahren teilgenommen. Die Befragung wurde an 51 verschiedenen Schulen verteilt über die ganze Schweiz durchgeführt und fand jeweils in der Schule statt. Der Fragebogen für die Schülerinnen und Schüler bestand aus einem umfassenden Fragekatalog mit insgesamt 110 Fragen. Stress wurde mittels dieses Fragebogens multidimensional erfasst. Es wurde damit ein Konzept von «Stress» entwickelt, das über die subjektive Aussage «ich fühle mich gestresst» hinausgeht und sieben Dimensionen umfasste, die durch eine Hauptkomponenten-Analyse gebildet wurden. 

Der Lehrpersonen-Fragebogen enthielt insgesamt 92 Fragen. Unter anderem wurde das schulische Umfeld abgefragt (z.B. Infrastruktur, Angebote, Tagesstrukturen, Regelungen zu Hausaufgaben oder Prüfungen), von den Lehrpersonen als belastend wahrgenommene Faktoren sowie die Beziehung der Lehrpersonen untereinander resp. zur Schulleitung, aber auch zu Schülerinnen und Schüler und deren Eltern. Zudem wurden die Lehrpersonen zur Klasse befragt – einerseits zum Klassengefüge, aber auch zur Einschätzung der Schülerinnen und Schüler. Darüber hinaus gaben die Lehrpersonen eine Einschätzung über die Veränderung von Belastung und Stress der Schülerinnen und Schüler über die letzten Jahre ab.

Die Eltern wurden online befragt. Der Fragebogen für die Eltern umfasste 104 Fragen. Insgesamt liegen 343 Elterninterviews vor oder, relativ formuliert, Interviews mit Eltern von knapp 32% der Schülerinnen und Schüler. Es haben etwas häufiger Eltern von jungen Menschen geantwortet, die sich nicht beziehungsweise weniger von ihren Eltern überfordert fühlen und die ihre Beziehung zu den Eltern als (sehr) positiv beschreiben. Aufgrund dieser Selektivität wurden nur wenige der Elternantworten im Bericht berücksichtigt sondern weitgehend die Antworten der Kinder und Jugendlichen selbst sowie an denen der Lehrpersonen.

Die Fragebogen wurden entwickelt und ausgewertet durch Prof. Dr. Holger Ziegler von der Universität Bielefeld. Das Institut AmPuls führte die Erhebung an den Schulen durch sowie die Onlinebefragung der Eltern. Befragungszeitraum war von Oktober 2019 bis Februar 2020. 

Den ausführlichen Bericht der Pro Juventute Stress-Studie können Sie kostenlos als PDF herunterladen. 

Extrabrief Stress und Druck

Wie entsteht Stress? Wie macht sich dieser bei Kindern und Jugendlichen bemerkbar? Dieser Extrabrief bietet Hintergrundwissen zu alltäglichen Stressfaktoren und Tipps, um mit Stress umzugehen und diesen zu reduzieren.

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