147 von Pro Juventute: Beratungsnachfrage wegen Multikrise auf Allzeithoch

Zürich, 07. September 2023 – Aufeinanderfolgende Krisen und die damit eingehende zunehmende psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen wirken sich weiter auf die Beratungsnachfrage beim 147 von Pro Juventute aus. Die durchschnittliche Beratungsdauer wird länger, Kriseninterventionen nehmen weiter zu. Besonders steigen Beratungen zu selbstverletzendem Verhalten. Pro Juventute reagiert darauf mit einer Erweiterung der Beratungskapazitäten und appelliert an die Politik.

Es steht nicht gut um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in der Schweiz. Zahlreiche aufeinanderfolgende Krisen überlappen sich zu einer Multikrise und fordern die junge Generation in ihrem Heranwachsen heraus. Die Kindheit und Jugend ist ohnehin schon herausfordernde Zeit mit vielen Veränderungen und Weichenstellungen. Kinder und Jugendliche verfügen über weniger Bewältigungsstrategien als Erwachsene. Zudem sind durch soziale Medien globale Krisensituationen unmittelbarer und ungefilterter im Leben junger Menschen präsent. Seit Monaten warnen Fachorganisationen und Beratungsstellen vor der erhöhten psychischen Belastung junger Menschen, zuletzt an einer nationalen Tagung in Bern.

 

Die neusten Zahlen vom 147, dem Beratungsangebot von Pro Juventute für Kinder und Jugendliche, bestätigen diesen Trend und lassen aufhorchen. Seit 2019 hat der Beratungsaufwand beim 147 von Pro Juventute um 40 Prozent zugenommen. Im ersten Halbjahr 2023 nahm der Beratungsaufwand noch einmal um 7.5 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode zu.

 

Persönliche Probleme beschäftigen Junge, Mobbing die Eltern 

 

Thematisch werden mit einem Anteil von 45 Prozent die meisten Beratungen beim 147 zu persönlichen Problemen Suizidgedanken, Depressionen und Ängsten durchgeführt. Pro Tag melden sich 7-8 junge Menschen aufgrund von Suizidgedanken, sowie vier Kinder und Jugendliche zum Thema Depression. Mit einem Anstieg von 39 Prozent haben Beratungen zu selbstverletzendem Verhalten im Vergleich zur Vorjahresperiode besonders stark zugenommen. 

 

Einen weiteren traurigen Rekord ist hinsichtlich Kriseninterventionen zu vermelden. Ganze 74 Mal haben die Beraterinnen und Berater im ersten Halbjahr 2023 eine Blaulichtorganisation aufgeboten, weil sich ein junger Mensch etwas antun wollte. Das entspricht einem Anstieg von 14 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode – und einer Krisenintervention alle 60 Stunden. Im 1. Halbjahr 2022 waren es 65 Kriseninterventionen. 

 

Die Pro Juventute Elternberatung verzeichnet im ersten Halbjahr 2023 einen zusätzlichen Beratungsaufwand von 12 Prozent, im Vergleich zu vor der Covid-Pandemie beträgt der Anstieg gar 74 Prozent. Besonders gestiegen sind im Vergleich zur Vorjahresperiode Beratungen von Erwachsenen zum Thema Mobbing und Cybermobbing (Zunahme von 70 Prozent) sowie zu persönlichen Problemen (Zunahme von 30 Prozent). Ein ähnliches Bild zeigt die Pro Juventute Peer-Beratung, wo die Anzahl Kontakte im ersten Halbjahr im Vergleich zur Vorjahresperiode 2022 um neun Prozent gestiegen ist. 

Die Beratungsdauer beim 147 nimmt aufgrund der höheren psychischen Belastung und aufgrund von komplexer werdenden Themen weiter zu. Dauerte eine Telefonberatung vor der Covid-Pandemie noch durchschnittlich 5 Minuten und 52 Sekunden, waren es im ersten Halbjahr 2023 bereits 9 Minuten und 34 Sekunden. Dies entspricht einem Anstieg von 63 Prozent.

Politik ist gefordert 

Infolge der erhöhten Beanspruchung der Beratung Pro Juventute die Öffnungszeiten für die schriftliche Beratung ausgebaut und die Kapazitäten aufgestockt. Um dem veränderten Kommunikationsverhalten der Zielgruppen Rechnung zu tragen, wird das 147 sowie die Elternberatung ab dem 18. September neu auch auf Whatsapp verfügbar sein. Damit will Pro Juventute Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen eine lebenswelt- und bedürfnisorientierte Beratung bieten und einen wichtigen Beitrag für die psychisch gesunde Entwicklung der jungen Generation leisten. 

Für Pro Juventute ist klar, dass der Multikrise Rechnung getragen werden muss. Die Stiftung appelliert an die Politik, niederschwellige Erstanlaufstellen wie das 147 sowie deren Bekanntheit bei der Zielgruppe zu stärken. Auch muss die gesamte psychotherapeutische und psychiatrische Versorgungskette für Kinder und Jugendliche verbessert und in die Prävention investiert werden. 

Weitere Informationen  

Multikrise: Kinder und Jugendliche brauchen Sofort-Hilfe (projuventute.ch) 

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