Familie & Gesellschaft

Schulabsentismus: Was tun, wenn das Kind die Schule verweigert?

Es ist Zeit für die Schule, aber der elfjährige Levi klagt wieder einmal über Bauchweh. Seine Mutter macht sich Sorgen. Will er einfach die Schule schwänzen? Hat er Schulangst? Erfahren Sie mehr zum Thema Schulabsentismus.
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Junge in der Schule.

Etwa zehn Prozent aller Schülerinnen und Schüler in der Schweiz wollen aus unterschiedlichen Gründen nicht zur Schule oder schwänzen diese. Das zeigt die Pisa-Studie aus dem Jahr 2015. Es lohnt sich, dem Problem auf den Grund zu gehen, wenn Kinder regelmässig über Bauchschmerzen klagen, sobald es Zeit für die Schule ist. 

Dr. med. Dagmar Pauli, Chefärztin und stellvertretende Klinikdirektorin der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich sagt zum Thema Schulabsentismus: «Es ist wichtig, konsequent auf den Besuch der Schule zu bestehen und frühzeitig zu handeln, wenn Kinder nicht zur Schule gehen wollen. Denn oft gibt es Gründe dafür, die angegangen werden müssen.» Mit dem frühzeitigen Handeln der Eltern kann eine rasche Besserung der Situation herbeigeführt und eine langfristige Schulverweigerung vermieden werden.

Was ist Schulabsentismus?

Von Schulabsentismus spricht man, wenn Schülerinnen und Schüler der Schule fernbleiben, ohne krank zu sein, oder regelmässig zu spät kommen. Dies hat oft negative Auswirkungen auf die schulische und soziale Entwicklung. Schulabsentismus kann verschiedene Formen annehmen, dazu gehört Schule-Schwänzen oder Schulverweigerung. Jungen sind etwas häufiger betroffen als Mädchen. Schulabsentismus tritt vor allem beim Übergang auf eine neue Stufe auf, beispielsweise beim Wechsel vom Kindergarten in die Primarschule.

Wann wird Schulverweigerung zum Problem?

Wenn Ihr Kind gelegentlich nicht zur Schule gehen will, ist das noch kein Grund zur Sorge. Es ist normal, dass Kinder ab und zu keine Lust auf die Schule haben oder sich unwohl fühlen. Es lohnt sich, nachzufragen und das Kind ernst zu nehmen. 

Wenn Ihr Kind aber regelmässig Gründe sucht, um nicht zur Schule gehen zu müssen, die Schule schwänzt oder gar über längere Zeit dem Unterricht fernbleibt, dann sind die Sorgen berechtigt. Es ist möglich, dass sich das Kind so verhält, weil etwas es belastet. 

Es ist wichtig, konsequent auf den Besuch der Schule zu bestehen und frühzeitig zu handeln, wenn Kinder nicht zur Schule gehen wollen. Denn oft gibt es Gründe dafür, die angegangen werden müssen.
Dr. med. Dagmar Pauli, Chefärztin und stellvertretende Klinikdirektorin der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, Stiftungsrätin Pro Juventute

Angst als Ursache von Schulverweigerung

Schulabsentismus kann verschiedene Gründe haben. Eine der möglichen Ursachen für das Fernbleiben vom Unterricht sind Ängste. Für viele Kinder können alltägliche Schulsituationen bedrohlich sein:

  1. Situationen, in denen Kinder und Jugendliche eine gute Leistung von sich erwarten oder Leistungsdruck ausgesetzt sind, können Stress auslösen. Betroffene haben Angst vor der Schule oder vor bestimmten Situationen in der Schule, wie Prüfungen (Versagensangst) oder Gruppenarbeiten, in denen sie ihr Können zeigen möchten oder müssen. Typischen Anzeichen sind Übelkeit oder Durchfall am Tag der Prüfung, Konzentrationsstörungen, Schlafprobleme, Trödeln.
  2. Soziale Situationen in der Schule können als Belastung empfunden werden. Betroffene Kinder und Jugendliche haben Angst, sich zu blamieren, sind sehr verlegen oder empfinden Scham. Sie fühlen sich in der Klasse oder auf dem Pausenplatz unwohl. Gerade Kinder und Jugendliche, die Mobbing erleben, fühlen sich in der Schule nicht sicher und leiden oft unter psychischem Stress. 
  3. In jüngerem Alter kann Trennungsangst auftreten. Kinder haben Mühe, sich von ihren Eltern zu trennen und fühlen sich in der Schule unwohl, weil sie ihre Eltern vermissen. Betroffene Kinder klagen oft über Bauchschmerzen oder Übelkeit, sobald es Zeit für die Schule ist. Solche Trennungsängste sollten im Kindes- und Jugendalter bewältigt werden, damit sie sich nicht zu einer psychischen Krankheit auswachsen. 
Wenn Ihr Kind unverhältnismässige Angst vor der Schule empfindet, ist es notwendig, professionelle Hilfe zu suchen.
Dr. med. Dagmar Pauli, Chefärztin und stellvertretende Klinikdirektorin der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, Stiftungsrätin Pro Juventute

Unterstützung, wenn Kinder die Schule verweigern

Je nach Ursache des Schulabsentismus können unterschiedliche Massnahmen helfen. Es ist sinnvoll, das Gespräch mit der Lehrerin oder dem Lehrer zu suchen und herauszufinden, wie sich das Kind im Unterricht verhält und wie es bei schulischen oder sozialen Problemen unterstützt werden kann. Auch Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter können unterstützen. Die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule spielt eine zentrale Rolle. 

Wenn das Kind unverhältnismässige Angst vor der Schule empfindet, ist es notwendig, professionelle Hilfe zu suchen. Als Erstanlaufstelle können Eltern sich an den Kinderarzt oder die Kinderärztin wenden. Starke Ängste, welche sich auch physisch zeigen, können auf eine Angststörung hinweisen. 

Auch eine Depression kann sich in Schulabsentismus zeigen: Betroffene kämpfen mit der Motivation und haben insbesondere am Morgen Mühe, aufzustehen und den Tag anzupacken. Professionelle Unterstützung ist in beiden Fällen nötig. Sind sich Eltern unsicher, ob Handeln angebracht ist, oder wissen sie nicht, wo sie Hilfe bekommen, können sie sich an die kostenlose Elternberatung von Pro Juventute wenden.

Tipps für Eltern

  • Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Kind und versuchen Sie herauszufinden, welche Situationen Ihr Kind vermeiden möchte.
  • Wenn das Kind häufig über Bauchschmerzen oder Kopfweh klagt, trösten Sie es. Machen Sie klar, dass zu Hause bleiben keine Option ist. Wenn das Kind hingegen krank ist (Infektion mit Fieber, starke Erkältung), so ist Bettruhe angesagt.
  • Vermeiden Sie Vorwürfe und ermutigen Sie Ihre Tochter oder Ihren Sohn, zur Schule zu gehen. Bleiben Sie dabei konsequent und behalten Sie Ihr Kind nicht zu Hause.
  • Beziehen Sie die Schule mit ein und suchen Sie gemeinsam nach Lösungen.
  • Setzen Sie Ihr Kind nicht unter Druck, ans Gymnasium gehen zu müssen oder sehr gute Schulnoten zu erzielen. Stress und Leistungsdruck führt zu Überforderung.
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