Smartwatch: die digitale Nabelschnur
Timo kommt nach dem Kindergarten nicht zur gewohnten Zeit nach Hause. Seine Eltern sind beunruhigt und nervös. Sie sind froh, trägt Timo eine Smartwatch. So können sie auf ihrer App sehen, dass Timo offenbar noch im Kindergarten verweilt. Das beruhigt sie.
Eltern haben das Bedürfnis, ihre Kinder zu schützen und ihre Sicherheit zu gewährleisten. Eine Smartwatch scheint die perfekte Lösung dafür zu sein. Smartwatches für Kinder sorgen aber aus verschiedenen Gründen für Kontroversen. Sie können in gewissen Fällen zwar die Sicherheit der Kinder erhöhen, werfen aber Fragen hinsichtlich Datenschutz, Privatsphäre und Entwicklung der Kinder auf.
Vermeintliche Sicherheit durch Kinder-Smartwatches
Smartwatches versprechen Sicherheit. Sie ermöglichen den Eltern, via GPS-Ortung den Standort ihrer Kinder zu verfolgen. Ob diese Funktion in einem Notfall aber hilfreich ist, hängt stark von den Umständen ab. Es gibt sicherlich Situationen, in denen die Ortung die Sicherheit des Kindes erhöht. Aber gerade im äussersten Notfall einer Kindsentführung wäre die Smartwatch wohl das Erste, was dem Kind abgenommen würde.
Das Gefühl von Sicherheit, das ein GPS-Tracker in Form einer Smartwatch oder eines Armbands vermittelt, kann trügen. Unter Umständen schränkt die digitale Nabelschnur gar die natürliche Wachsamkeit des Kindes ein. Das Kind geht davon aus, dass Mami und Papi ohnehin wissen, wo es ist. Auch die Entwicklung von Autonomie und Selbstvertrauen können beeinträchtigt werden. Zudem lassen sich trotz Überwachung via App gefährliche Situationen nicht verhindern.
Selbstwirksamkeit statt Überwachung mittels Kinderwatch
Mit einer Smartwatch können Kinder auch jederzeit ihre Eltern anrufen, ohne dass sie ein Smartphone benötigen. Der Gedanke, dass ihr Kind in Notfallsituationen direkt Kontakt aufnehmen kann, ist für viele Eltern beruhigend. Im Alltag besteht indes die Gefahr, dass die Smartwatch das Kind hemmt, eigene Erfahrungen zu machen.
Es ist unmöglich und hätte fatale Folgen für die Entwicklung der Kinder, sie vor allen Situationen zu bewahren, die ein mögliches Risiko enthalten.
Wenn Mami und Papi ständig verfügbar sind, treffen Kinder weniger selbstständig Entscheidungen. Die Erreichbarkeit bedeutet auch eine Möglichkeit zur Beobachtung und Kontrolle. Dies beeinflusst das Verhalten des Kindes. Kinder mit Smartwatches werden unvorsichtiger. Sie lernen nicht, für Probleme selbständig Lösungen zu finden oder Situationen aushalten zu können.
Für Kinder ist es wichtig, altersentsprechende, selbständige Erfahrungen sammeln zu können. Nur so haben sie die Möglichkeit, ein gesundes Selbstvertrauen aufzubauen. Was sie dafür brauchen sind Freiräume als Lernfeld statt einer permanenten Überwachung. Es ist unmöglich und hätte fatale Folgen für die Entwicklung der Kinder, sie vor allen Situationen zu bewahren, die ein mögliches Risiko enthalten.
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Smartphone für den Notfall
Manche Eltern überlegen sich, ihrem Kind statt einer Smartwatch ein Smartphone für den Notfall mitzugeben. Diese Entscheidung sollte bedenkt werden, da das Handy das Kind vom Verkehr oder im Kindergarten- oder Schulalltag ablenken kann.
Wenn das Kind für den Notfall ein Smartphone erhält, müssen klare Abmachungen dazu getroffen werden. Wann darf das Handy gebraucht werden? Wo wird es verstaut? Auch ohne Abo können sich Kinder in ein ungesichertes WLAN einloggen und unbeaufsichtigt im Internet surfen, was je nach Alter gefährlich sein kann. Besprechen Sie daher auch Regeln zum sicheren Surfen im Internet.
Eigenes Smartphone
Wann sind Kinder alt genug für ein eigenes Handy? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Wichtig ist, dass Eltern sorgfältig abwägen, ob das Kind die nötige Verantwortung übernehmen kann.
Erfahren Sie, welche Überlegungen fürs erste Handy zentral sind.
Transparenz schaffen bei Tracking
Wird nach sorgfältiger Überlegung ein Tracking-Tool eingesetzt – egal ob via Smartphone, Kinderuhr oder GPS-Armband –, muss das dem Kind gesagt werden. Es muss wissen, weshalb es getrackt wird. Auch die Funktionen der Kinderuhr oder des Smartphones müssen erklärt werden. Und es braucht Abmachungen, wann und wozu das Gerät vom Kind benutzt werden darf.
Allenfalls können Eltern mit dem Kind Regeln vereinbaren, in welchen Fällen sie die Tracking-App anschauen und wann es unbeobachtet bleibt. Wird das Kind nicht informiert, kann dies das Vertrauen zwischen Eltern und Kind nachhaltig schädigen. Denn Tracking ist ein Eingriff in die Privatsphäre.
Tipps für Eltern
- Trauen Sie Ihrem Kind etwas zu. So kann es auch sich selbst etwas zutrauen. Wenn das Kind selbständig eine Lösung für ein Problem findet, stärkt dies das Selbstvertrauen.
- Überlegen Sie sich alternative Strategien, um Ihr Kind in Sicherheit zu wissen. Bleiben Sie zum Beispiel in Kontakt mit den Eltern der Kindergarten- oder Schulgspändli. Oder schreiben Sie Ihre Telefonnummer in den Rucksack des Kindes.
- Vielleicht merken Sie, dass trotz Schattenseiten das Tracking für Sie als Eltern wichtig ist. Überlegen Sie, weshalb dies so ist. Geht es um das Wohl des Kindes oder um Ihre eigene Angst?
- Bereiten Sie Ihr Kind auf unvorhergesehene Situationen vor. Besprechen Sie mit Ihrem Kind Fragen wie «Was würdest du tun, wenn du früher als ich zu Hause wärst?» oder «Wie könntest du reagieren, wenn wir uns im Supermarkt oder am Bahnhof aus den Augen verlieren?»