Schule & Ausbildung

Mentoring-Projekt von Pro Juventute Tessin

Das Mentoring-Projekt wurde 2008 von der Abteilung für Soziales und Familien, der Gemeinde Locarno und Pro Juventute in enger Zusammenarbeit entwickelt. Das Grundprinzip dieses Projekts basiert auf der Tatsache, dass viele Jugendliche in der heutigen Gesellschaft keine adäquaten Identifikationsfiguren innerhalb ihres primären Netzwerks finden.
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Un giovane che parla con un mentore.

Das Projekt bietet jungen Menschen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren ein offenes Ohr, Ermutigung und Unterstützung, wenn sie sich vorübergehend in Schwierigkeiten befinden. Der Begriff «Mentor» geht auf die mythische Figur Mentor in Homers Odyssee zurück, einen weisen, alten Mann, dem Odysseus seinen Sohn Telemachus anvertraute, bevor er in den Trojanischen Krieg zog.

Odysseus verstand die Rolle des Mentors nicht nur als die eines Freundes; tatsächlich überliess er Mentor die Betreuung und Erziehung seines Sohnes, damit dieser als Erwachsener stark und mutig wie sein Vater werde.

Noch heute wird der Begriff «Mentor» verwendet, um eine kluge und erfahrene Führungspersönlichkeit zu bezeichnen. Eine gute Mentorin oder einen guten Mentor zu haben kann für einen jungen Menschen, der sich noch nicht bereit fühlt, wichtige Entscheidungen zu treffen, wegweisend sein und den Erfolg in seinem Leben massgeblich beeinflussen. Obwohl die Figur des Mentors im Laufe der Jahrhunderte unterschiedliche Ausprägungen angenommen hat, war das zentrale Element stets die Beziehung zwischen einem erfahrenen Individuum und einem jungen Menschen, der dabei ist, seine eigene Identität aufzubauen.

Ziel

Hauptziel des Mentoring-Projekts ist es, junge Menschen, die sich in vorübergehenden Schwierigkeiten befinden, zu unterstützen. Dies geschieht, indem man ihnen eine Bezugsperson zur Seite stellt, die ihnen hilft, ihren Weg zu finden.

Ablauf

Jedem jungen Menschen mit Schwierigkeiten wird eine Mentorin oder ein Mentor zur Seite gestellt. Diese Person schenkt der/dem betreuten Jugendlichen ihre Erfahrung und Zeit, unterstützt sie/ihn im Bildungsprozess und ebenso in ihrer/seiner individuellen und sozialen Entwicklung.

Die Mentorin bzw. der Mentor hört dem jungen Menschen aktiv zu und gibt ihm Ratschläge, wenn sie/er gefragt wird, aber sie/er drängt dem jungen Menschen nicht auf, was er tun oder lassen sollte: Es ist der junge Mensch, der reifen und seine eigenen Entscheidungen treffen muss. Die Mentorin bzw. der Mentor hilft ihm, die Ist-Situation zu analysieren, seine Leidenschaften, Neigungen und Wünsche zu erkennen, und regt ihn an beziehungsweise hilft ihm, diese zu realisieren.

Die Mentorin bzw. der Mentor arbeitet auch daran, das Bewusstsein des jungen Menschen für seine Handlungen zu schärfen und ihm für die Entscheidungen, die er trifft, die Verantwortung zu übertragen. Die/der Jugendliche gewinnt so an Sicherheit, Selbstvertrauen und Selbstständigkeit und wird langfristig gefördert und angeregt.

Ort

Die Projekt-Standorte sind Locarno, Bellinzona, Chiasso, Paradiso und Biasca.

Kontakt

Testimonials

JUNGE FRAU, 24 JAHRE ALT

«Das Mentoring-Projekt war eine tolle Erfahrung, da es nichts Formelles war. Mit der Zeit wurde meine Mentorin zu einer guten Freundin, die mir in schweren Zeiten Halt gegeben hat. Ich war anfangs etwas skeptisch und die Sache erschien mir ziemlich witzig. Aber ich muss sagen, wenn ich nochmals am gleichen Punkt stehen würde wie damals, würde ich es sofort wieder tun. Und was noch wichtiger ist: Ich würde es auf jeden Fall weiterempfehlen.»

JUNGER MANN, 20 JAHRE ALT

«Weil die Garage, in der ich arbeitete, schloss, überlegte ich mir, meine Mechatroniker-Ausbildung abzubrechen. Dank dem Mentoring-Projekt hatte ich die Möglichkeit, mich wieder zu integrieren. Ich habe die Lehre abgeschlossen, eine Berufsmatura gemacht und beginne nächstes Jahr mit dem Studium.»

ELISA, MENTORIN

«Ich erinnere mich, dass ich meine Reise als Mentorin mit dem grossen Wunsch begann, jungen Menschen zu helfen, die aus verschiedenen Gründen in ihrer Kindheit und Jugend sowie auf ihrem Bildungsweg weniger Glück gehabt hatten als ich. Es ist eine wunderbare und lohnende Erfahrung, sich zu engagieren und ihnen die Chance zu geben, als Individuen anerkannt zu werden. Manchmal reicht es schon, aktiv zuzuhören, was sie zu sagen haben.

Aber eine Mentorin zu sein bedeutet nicht nur, eine helfende Hand auszustrecken; es bedeutet, auch die andere Hand zu ergreifen und sich gemeinsam, Schritt für Schritt, den Herausforderungen zu stellen, mit denen sich der junge Mensch sonst wahrscheinlich alleine konfrontiert sehen würde. Der Moment, in dem Jugendliche wieder hoffnungsvoll in die Zukunft blicken können, ist einfach magisch.

All das ist auch dank einer starken, kollektiven Antriebskraft möglich, die das Projekt beflügelt – einer Gruppe von Menschen mit einer positiven und hoffnungsvollen Einstellung zu unserer Gesellschaft und vor allem zu den jungen Menschen, die in ihr leben. Eine Gruppe, in der wir trotz aller Unterschiede zusammenwachsen und uns nie allein gelassen fühlen.»

ALBA, MENTORIN

«Meine ersten Erfahrungen im Mentoring-Projekt gehen auf den 30. März 2011 zurück. Bis heute habe ich rund fünfzehn junge Menschen begleitet. Begonnen habe ich diesen Weg als Praxiserfahrung im Rahmen meines dreijährigen Masters in Counseling. Ich erstellte eine Abschlussarbeit mit dem Titel «Counseling mit und für Jugendliche: Die Fotografie als erzählerisches Werkzeug und Metapher für persönliches Wachstum.» Nach dem Master entschied ich mich, meine ehrenamtliche Tätigkeit in diesem Bereich fortzusetzen. Das kam so:

Die vom Mentoring-Projekt angebotene Grundausbildung erleichterte mir den Einstieg in die Jugendarbeit und ermöglichte es mir, nach und nach die Rolle einer Mentorin aufzubauen. Darüber hinaus konnte ich dank meiner permanenten Weiterbildung die notwendigen Fähigkeiten entwickeln, um junge Menschen optimal zu begleiten.

Auf menschlicher Ebene ist das eine sehr bereichernde Erfahrung. Die Auseinandersetzung mit jungen Menschen ist für mich eine Quelle des ständigen Wachstums und der Selbstbeobachtung.

Die Begegnung mit jungen Menschen ist in erster Linie eine zwischenmenschliche Begegnung; es ist eine gegenseitige Offenbarung, ein Prozess, der Zeit und Geduld erfordert, um zu erahnen und zu entdecken, was sich hinter ihren Schwierigkeiten, ihrem Verhalten, ihren Worten verbirgt.

Jungen Menschen zur Seite zu stehen hat mir erlaubt, einen Einblick in ihre Welt zu erhalten – eine Welt, die manchmal voller Unsicherheiten, Ängste und Unbehagen ist, gleichzeitig aber auch reich und kreativ, wenn man ihnen nur die Möglichkeit bietet, ihre Geschichte einfach und authentisch zu erzählen.

Schon oft wurde ich mit besonders komplizierten und emotional belastenden Situationen konfrontiert. Dank der Zusammenarbeit mit den Koordinationsverantwortlichen und der entsprechenden Anleitungen habe ich jedoch immer die notwendige Unterstützung erhalten, um Probleme wie diese zu bewältigen.

Gleichzeitig gab es auch viele schöne Momente – Momente, in denen jemand «Danke» sagte, in denen man sich umarmt oder zugelächelt hat. Momente, in denen ich beobachten konnte, wie ein junger Mensch seine Apathie hinter sich liess – all das ist für mich immer wieder Anlass zu grosser Freude.

Ich beobachte den jungen Menschen und gleichzeitig auch mich selbst, wie ich mich verhalte und wie ich mich in dieser Beziehung fühle.

Ich bin allen Projektverantwortlichen dankbar, dass sie mir die Möglichkeit gegeben haben, diese Art von Erfahrung zu sammeln – eine ehrenamtliche Tätigkeit, die Engagement, Verantwortung, Beständigkeit und Leidenschaft voraussetzt.
Ich empfehle allen, die sich für andere «verausgaben» möchten, diese Art von Erfahrung für ihr soziales und persönliches Wachstum zu machen.»

ELTERN VON J.

«Die Lehrerinnen an der Schule von J. haben uns einen Mentoren von Pro Juventute empfohlen. Für J. war es eine schwierige Zeit: Er hatte drei Jahre lang gegen seinen Willen die Sonderschule in Giubiasco für Jugendliche mit Schwierigkeiten besucht und nun hatte er in Locarno zwei ungewisse Jahre vor sich.

Er war total verwirrt und verunsichert, hatte Probleme und wir konnten ihm nicht helfen. Die Kommunikation mit ihm war unmöglich geworden. Er hatte sich völlig von uns abgekapselt. Wir konnten nicht herausfinden, welchen Weg er für sein Leben einschlagen wollte und was ihn glücklich machte.

Wir fühlten uns als Eltern total hilflos, weil wir so komplett aus seinem Leben ausgeschlossen waren. Wir wussten nicht mehr, mit wem er sich traf oder was er in seiner Freizeit tat.

Das Treffen mit dem Mentor (ein junger, gepflegter, freundlicher, aber auch entschlossener Mann) verlief für uns sehr positiv. Mit viel Geduld liess er sich auf J. und seine Leidenschaften ein und konnte so in seine Welt eintreten, ihm Ratschläge geben, Beispiele aufzeigen und ihn sowohl in seinen beruflichen als auch persönlichen Entscheidungen ermutigen.

Wir raten allen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, immer für ihr Kind da zu sein, sich aber auch Unterstützung von Einrichtungen und Mentorinnen/Mentoren wie diesen zu holen, die sich so unglaublich engagieren.»

Wenn Sie Fragen oder Anregungen zum Mentoring-Projekt haben, helfen wir Ihnen gerne weiter.

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