Wie mit psychisch belasteten Jugendlichen reden
Nicht mehr Kind und doch noch nicht ganz erwachsen. Jugendliche befinden sich geistig und körperlich in einer Phase des Umbruchs. Ihr Hirn ist eine einzige Baustelle, das Frontalhirn noch nicht vollständig ausgereift. Mit der Berufswahl, Ablösung von den Eltern und möglicherweise der ersten Liebe stehen grosse Veränderungen an. In vielen Bereichen müssen sich Jugendliche neu orientieren und ihre eigene Identität finden.
Diese turbulente Zeit kann Jugendliche belasten. Emotionale Hochs und Tiefs gehören zur Pubertät. Doch können die Herausforderungen auch zu viel werden, vor allem wenn Jugendliche wenig soziale Unterstützung haben oder familiäre Probleme hinzukommen. Gerade beim Erwachsenwerden bräuchten Jugendliche die Orientierung und den Austausch mit den Eltern sowie ihr soziales Umfeld als Stütze.
Signale, die auf eine psychische Belastung hinweisen
Viele Jugendliche sprechen Probleme ungern an und verheimlichen sie lieber. Für Erwachsene ist es oftmals schwierig zu verstehen, was in ihnen vorgeht. Es gibt jedoch Anzeichen, die auf eine mögliche psychische Belastung hinweisen:
- Rückzug: Jugendliche ziehen sich von den Eltern zurück. Das ist ein normaler Prozess in der Pubertät. Bei manchen verändert sich auch der Freundeskreis. Isolieren sich Jugendliche aber zunehmend von der Welt und ziehen sie sich insbesondere aus der Peer-Gruppe zurück, ist dies ein ernstzunehmendes Zeichen.
- Nachlassen der Leistungen: Jede und jeder hat mal einen Hänger. Beobachten Eltern jedoch, dass die schulischen Leistungen stark nachlassen, kann das ein Hinweis auf eine psychische Belastung sein.
- Antriebslosigkeit: Jugendliche brauchen viel Schlaf und wirken öfters müde oder schlapp. Zeigen sie aber grundsätzlich wenig Freude und haben keinen Spass mehr an geliebten Hobbys, könnte mehr dahinterstecken.
Mit Jugendlichen das Gespräch suchen
Tauchen eines oder mehrere dieser Signale auf, sollten Eltern und Bezugspersonen hellhörig werden. Nicht zwingend muss eine psychische Erkrankung die Ursache sein. Vielleicht ist die Veränderung bloss Teil des Selbstfindungsprozesses. Etwa, wenn Jugendliche neue Interessen entwickeln, ein neues Hobby suchen und sich deshalb neuen Freunden zuwenden.
Trotzdem sollten Eltern ihre Beobachtungen ansprechen. Heranwachsende müssen spüren, dass ihre Eltern für sie da sind und stets ein offenes Ohr für sie haben. Psychisch belastete Jugendliche brauchen in erster Linie jemand, der ihnen zuhört. Ein offenes Gespräch kann auch vorbeugend wirken und hilfreich sein, bevor es zu einer psychischen Belastung kommt.
Allerdings ist es nicht immer einfach, mit Jugendlichen zu sprechen. Gegenüber den Eltern geben sie sich meist verschwiegen und sprechen Probleme selten von sich aus an. Eltern brauchen Fingerspitzengefühl und eine vertrauensvolle Beziehung zu den Jugendlichen, damit sich diese in schwierigen Situation ihnen gegenüber öffnen.
Tipps für Eltern für das Gespräch mit belasteten Jugendlichen:
- Günstige Umgebung: Wählen Sie für das Gespräch einen geeigneten Zeitpunkt und einen Ort, an dem sich die Tochter/der Sohn wohlfühlt. Wahrscheinlich ist ein Gespräch bei einem Spaziergang einfacher als im heimischen Wohnzimmer.
- Authentisch sein: Kommunizieren Sie aufrichtig. Sie dürfen es sagen, wenn Ihnen das Gespräch schwerfällt. Verwenden Sie eine Sprache, mit der Sie sich wohlfühlen.
- Aktiv zuhören: Achten Sie auf eine entspannte, offene Körpersprache. Nehmen Sie die Gefühle Ihrer Tochter/Ihres Sohnes ernst und werten sie nicht. Bestärken Sie mit positiven Rückmeldungen, wie «Ich finde es toll, dass du mit mir darüber sprichst».
- Schweigen zulassen: Lassen Sie der oder dem Jugendlichen Zeit, Gedanken in Worte zu fassen. Respektieren Sie auch, wenn Ihre Tochter/Ihr Sohn jetzt nicht über Probleme sprechen möchte.
- Helfen, die richtige Sprache zu finden: Jugendlichen fällt es schwer, über Gefühle zu sprechen. Sie können ihnen dabei helfen, Worte zu finden, um ihre Gefühle auszudrücken. Hilfreich kann auch der Stimmungsflip sein. Mit ihm können Jugendliche ihre Gefühle bildhaft benennen.
- Weitere Tipps finden Sie bei der Kampagne «Wie geht's dir?».
Unterstützung bei psychischer Belastung
Wird im Gespräch deutlich, dass es der oder dem Jugendlichen nicht gut geht und negative Gefühle vorherrschen, sollten Eltern Unterstützung anbieten. Und zwar auf der emotionalen Ebene, indem sie Verständnis zeigen und zuhören. Als auch, indem sie Informationen vermitteln und Handlungsoptionen besprechen. Möglicherweise gibt es Ressourcen im Umfeld, in der Familie, in der Freizeit oder in der Schule respektive im Beruf, die genutzt werden können.
Allenfalls braucht es aber auch Hilfe von aussen. Als niederschwellige Erstanlaufstelle ist die Pro Juventute Elternberatung rund um die Uhr für ratsuchende Eltern da. Bei einer psychischen Erkrankung lohnt es sich, frühzeitig die Unterstützung von Fachpersonen in Anspruch zu nehmen, etwa in Form einer Psychotherapie. Eine Zusammenstellung von Fachstellen für Jugendliche gibt es auf 147.ch.
Aufgabe der Eltern ist es, Jugendliche über Hilfsangebote zu informieren. Wann immer möglich sollten Jugendliche jedoch in Entscheide einbezogen werden. Idealerweise holen Sie gemeinsam Unterstützung oder Sie bieten an, mit dem Einverständnis Ihrer Tochter oder Ihres Sohnes Hilfe zu organisieren. Vielleicht fällt es der oder dem Jugendlichen einfacher, mit einer Person ausserhalb der Familie zu sprechen. Beim 147.ch erhalten Kinder und Jugendliche niederschwellige und kostenlose Unterstützung.
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