Digitale Medien: schaden sie der Gesundheit?
Vorab: Digitale Medien können die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen positiv erweitern. So können etwa soziale Medien Jugendliche bei der Bewältigung von wichtigen Entwicklungsaufgaben unterstützen. In der digitalen Welt können sie sich ausprobieren, sich selbst entfalten und kreativ ausdrücken. Das hilft ihnen beim Prozess der Identitätsfindung. Zudem ermöglichen es soziale Medien, sich mit Gleichaltrigen auszutauschen, soziale Kontakte zu pflegen und sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Doch wie alles im Leben haben auch digitale Medien Schattenseiten.
Schlechte Körperhaltung beim Medienkonsum
Es ist naheliegend und inzwischen durch Studien erhärtet, dass eine intensive Mediennutzung körperliche Beschwerden auslösen kann. Denn wer lange vor dem Bildschirm sitzt, bewegt sich wenig und verharrt über längere Zeit in der gleichen, oftmals ungünstigen Position. Bei der Nutzung von Smartphone, Laptop und Co. beugen wir oft den Kopf sehr stark, was Wirbelsäule und Nacken belasten kann.
So ist es nicht verwunderlich, dass gegenüber dem JAMESfocus-Bericht 17 Prozent der Jugendlichen über Rückenschmerzen klagen. 16 Prozent haben regelmässig Kopfschmerzen, 13 Prozent leiden unter Nackenschmerzen. Der JAMESfocus-Bericht widmet sich ergänzend zur James-Studie jeweils einem einzelnen Themenschwerpunkt, 2020 dem Thema Mediennutzung und Gesundheit.
Hoher Medienkonsum fördert Übergewicht
Nebst dem Bewegungsmangel tendieren Menschen zu ungesunden Ernährungsverhalten, wenn sie vor dem Bildschirm sitzen, auch Snacking genannt. Die Folgen können eine schlechtere Fitness und Gewichtsprobleme sein. Verschiedene Studien zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen intensiver Bildschirmnutzung, körperlicher Inaktivität und Übergewicht bis hin zu Adipositas.
Bewegung ist wichtig – auch für Personen, die keine Gewichtsprobleme haben. Bewegung wirkt sich positiv aufs Wohlbefinden aus und unterstützt die psychische Gesundheit. Deshalb ist eine gute Balance zwischen Medienkonsum und Bewegung essenziell.
Empfehlungen der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz zum Thema Bewegung
- 3 bis 4-jährige Kinder sollen sich pro Tag mindestens 180 Minuten bewegen, 60 Minuten davon mit moderater bis hoher Intensität.
- 5 bis 17-jährige Kinder und Jugendliche sollen sich im Durchschnitt 60 Minuten pro Tag mit mittlerer bis hoher Intensität bewegen. Mindestens dreimal pro Woche sollen intensive Bewegungsaktivitäten integriert werden.
- Ab 18 Jahren können die Guidelines der WHO für Erwachsene übernommen werden: Pro Woche empfiehlt die WHO mindestens 150 bis 300 Minuten Bewegung mit mittlerer oder mindestens 75 bis 150 Minuten mit hoher Intensität.
Digitale Medien beeinflussen die Schlafqualität
Zu wenig Schlaf oder eine schlechte Schlafqualität wirken sich negativ auf das allgemeine Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit aus. Doch geben im JAMESfocus-Bericht 53 Prozent der Jugendlichen an, täglich oder mehrmals wöchentlich unter Müdigkeit zu leiden. Schuld daran können auch digitale Medien sein. So etwa, wenn Jugendliche durch eingehende Nachrichten oder Anrufe am Ein- oder Durchschlafen gehindert werden.
Das blaue Licht des Displays vermindert die Ausschüttung des Hormons Melatonin, welches schlaffördernd wirkt.
Idealerweise bleibt deshalb das Handy während der Schlafenszeit ausserhalb des Schlafzimmers. Das verhindert zudem, dass Jugendliche der Verlockung nachgeben, während Wachphasen zu checken, ob es in der digitalen Welt etwas Neues gibt. Dient das Smartphone als Wecker, kann der Flugmodus aktiviert oder Zeitfenster eingestellt werden, in denen keine Nachrichten empfangen werden.
Ausserdem ist es ungünstig, wenn Bildschirmmedien direkt vor dem Schlafengehen konsumiert werden. Dies kann das Ein- aber auch das Durchschlafen erschweren. Denn das blaue Licht des Displays vermindert die Ausschüttung des Hormons Melatonin, welches schlaffördernd wirkt. Obwohl es möglich ist, den blauen Lichtanteil auf dem Display zu reduzieren, sollten digitale Medien abends ausgeschaltet werden, zum Beispiel eine Stunde vor dem zu Bett gehen. Denn auch spannende Filme oder actionreiche Games kurz vor der Schlafenszeit können das Einschlafen verzögern.
Online-Veranstaltungen zum Thema
Wie nutzen Kinder und Jugendliche digitale Medien? Wie können Eltern und Bezugspersonen sie dabei optimal begleiten? An der kostenlosen Online-Veranstaltung beantworten Experten Ihre Fragen und geben Tipps zu Regeln und Vereinbarungen.
Auswirkungen auf die psychische Gesundheit
Soziale Medien haben wie andere Medieninhalte Suchtfaktor: So können sie durch intelligente Algorithmen bewirken, dass wir viel länger durch die Feeds scrollen, als wir beabsichtigen. Gerade Jugendliche sind dafür empfänglich. Sie orientieren sich besonders stark an ihrer Peer-Gruppe. Die Angst etwas zu verpassen, ist bei ihnen gross.
Zudem werden in sozialen Medien unrealistische Schönheitsideale vermittelt und eine perfekte Welt dargestellt. Dies kann verunsichern und Druck auslösen. Viele Jugendliche möchten so schön aussehen wie ihre Idole. Weil das aber unrealistisch ist, können Zweifel am eigenen Körperbild aufkommen. Das Selbstbewusstsein kann darunter leiden.
Je jünger die Kinder sind, umso wichtiger ist eine gute Begleitung beim Medienkonsum. Denn Medienkompetenz erwerben Kinder und Jugendliche nicht von alleine.
Auch Videos und Games können sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken. Insbesondere, wenn Kinder und Jugendliche für sie ungeeignete oder verstörende Inhalte konsumieren. Altersempfehlungen bei Games oder Filmen können eine Orientierung bieten, um zu entscheiden, was geeignet ist und was nicht. Letztlich kennen die Eltern ihr Kind jedoch am besten. Sie müssen beurteilen, welche Inhalte für ihr Kind geeignet sind. Denn manchmal löst beim eigenen Kind etwas Angst aus, was andere als unproblematisch beurteilen würden.
Ausgleich zu den digitalen Medien schaffen
Kinder und Jugendliche, die sich gleichermassen in der Offline- und Online-Welt bewegen, berichten weniger von psychischen und körperlichen Beschwerden. Deshalb ist es zentral, für einen Ausgleich zu sorgen. Bewegung an der frischen Luft, Kontakte mit Gleichaltrigen in der realen, analogen Welt und genügend Schlaf sind gute Voraussetzungen, dass sich der Medienkonsum nicht negativ auswirkt. Wie bei vielem entscheidet die Dosis darüber, ob digitale Medien einen Mehrwert darstellen, schädlich sind oder sich gar zur Sucht entwickeln.
Je jünger die Kinder sind, umso wichtiger ist eine gute Begleitung beim Medienkonsum. Denn Medienkompetenz erwerben Kinder und Jugendliche nicht von alleine. Es ist daher sinnvoll, die Bildschirmzeit in jedem Alter einzuschränken sowie weitere Vereinbarungen im Umgang mit digitalen Medien zu treffen. Auch sollten sich Eltern für die digitalen Aktivitäten ihrer Kinder interessieren und sich mit ihnen über die Erfahrungen in der digitalen Welt austauschen. So können sie einem problematischen Einfluss digitaler Medien rechtzeitig gegensteuern.
Tipps für Eltern
- Legen Sie gemeinsam medienfreie Zeiten fest, die für die ganze Familie gelten. Seien Sie sich stets bewusst, wie wichtig Ihre Vorbildrolle als Eltern ist.
- Fördern Sie Bewegung in der Freizeit. Sorgen Sie für Bewegungspausen, wenn Ihre Tochter oder Ihr Sohn längere Zeit vor dem Bildschirm sitzt.
- Thematisieren Sie Snacking. Bieten Sie statt Chips oder Süssem gesunde Snacks als Zwischenverpflegung an.
- Unternehmen Sie regelmässig gemeinsam etwas. Das lenkt ab, verbessert das Wohlbefinden und fördert den Zusammenhalt.
- Zeigen Sie Interesse sowohl an der realen als auch der medialen Erlebniswelt Ihres Kindes.
- Regen Sie durch Fragen und in Diskussionen zum Denken an. So fördern Sie eine kritische Haltung und Ihr Kind lernt, Medieninhalte zu hinterfragen.